Ein Rentner sitzt an einem Tisch und macht sich in seiner Wohnung auf einem Block diverse Notizen seiner Geldausgaben

Nichts mehr übrig zum Sparen? Was Politik und Haushalte tun können

Stand: 21.08.2022, 17:29 Uhr

Der Sparkassen-Präsident sagt in einem Interview, bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte könnten bald kein Geld mehr zur Seite legen. Was heißt das und was kann man tun? Fragen und Antworten.

Die hohe Inflation setzt den Menschen in Deutschland zu und bringt sie immer häufiger an ihre finanziellen Grenzen. Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis sagte der "Welt am Sonntag", sein Verband rechne damit, dass eine Mehrheit der Deutschen bald nichts mehr sparen könne. Was bedeutet das, wie hilft die Politik und was kann man selber machen?

Was sagt der Sparkassen-Präsident genau?

29.10.2019, Berlin: Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)

Der Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis.

Schleweis geht davon aus, dass bald bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihr monatliches Einkommen komplett für die Lebenshaltung einsetzen müssen - also nichts mehr zurücklegen können. Das heißt, dass viele Menschen dann im Zweifelsfall keinen finanziellen Puffer haben: etwa dafür, dass zuhause unerwartet etwas kaputtgeht.

Deutschlandweit gibt es rund 40 Millionen Haushalte, rund 24 Millionen davon wären demnach von solchen finanziellen Engpässen betroffen. Vor einem Jahr noch konnten laut Sparkassen-Vermögensbarometer nur 15 Prozent der Haushalte kein Geld zur Seite legen. Auch die Volks- und Raiffeisenbanken sagen, dass der finanzielle Spielraum bei ihren Kundinnen und Kunden kleiner wird.

Dass der finanzielle Druck in Deutschland schon vor Herbst und Winter deutlich zugenommen hat, belegt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband gegenüber der "Welt am Sonntag" auch damit, dass Konten mit Dispo-Krediten stärker überzogen würden. Die Gesamtzahl von Menschen, die Dispo-Kredite nutzen, habe sich aber kaum verändert.

Was bedeuten diese Aussagen für die wirtschaftliche Lage in Deutschland?

Dass sich die Lage, die schon jetzt wegen der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs angespannt ist, wohl noch verschärfen wird. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagte dem "Spiegel", die hohen Preise würden bei vielen Menschen für einen dauerhaften Wohlstandsverlust sorgen. Betroffen seien vor allem die verhältnismäßig einkommensschwächeren "unteren" 40 Prozent der Gesellschaft.

"Das wird sicherlich auch dazu führen, dass wir auf Dinge verzichten müssen und uns genau überlegen müssen, wofür denn jetzt Geld ausgeben, was uns da wichtig ist und was wir uns sparen", sagt Wirtschaftsjournalistin Nora Wanzke im WDR-Finanzpodcast Economista. Klar ist auch: Der finanzielle Druck kann so groß sein, dass man diese Wahl nicht einmal hat.

Was tut die Politik dagegen?

Zwei Entlastungspakete mit diversen Maßnahmen hat die Politik bereits auf den Weg gebracht, ein drittes soll laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bald folgen. Es ist nicht ganz leicht, die Maßnahmen alle zu überblicken. Ab September gibt es etwa für Arbeitgebende, Arbeitnehmende und Selbstständige eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. Wer angestellt ist, erhält die Pauschale einfach über das Gehalt. Für Selbstständige wird es komplizierter, sie müssen die Einkommenssteuervorauszahlung nutzen.

Für Empfängerinnen und Empfänger von Wohngeld oder BAföG gibt es außerdem Zuschüsse zu Heizkosten. Die Zahlungen sollen laut Land NRW bis zum 20. August 2022 automatisch bei denjenigen mit Anspruch eingegangen sein. Die Regierung hat auch mehrere steuerliche Entlastungen beschlossen, die rückwirkend zum 1. Januar 2022 gelten.

Neu sind Forderungen aus den Reihen der Grünen, die Zinsen von Dispo-Krediten zu deckeln. Der Grünen-Finanzpolitiker Stefan Schmidt sprach sich in der "Welt am Sonntag" dafür aus.

Reichen diese Entlastungen aus?

Sehr wahrscheinlich nicht, dafür sind die Preisanstiege schlicht zu groß. "Das wird der Staat nicht alles ausgleichen können", sagt auch WDR-Wirtschaftsredakteur Wolfgang Landmesser im Economista-Podcast. Und diejenigen, die weniger verdienen, würden die Preiserhöhungen am deutlichsten bemerken.

Wie kann man sich selbst helfen?

Naheliegend ist, zu schauen, wo man bei Energie und Lebensmitteln sparen kann. Das Netzwerk der deutschen Verbraucherzentralen hat diverse Spar-Ratschläge gesammelt. Die Verbraucherzentralen empfehlen unter anderem, eigene Versicherungen (etwa Hausrat-, Haftpflicht- und Kfz-) durchzugehen, zu prüfen, dass man nicht überversichert sei und den Anbieter gegebenenfalls zu wechseln. Bei finanziellen Engpässen ist es auch möglich, von gesetzlichen Zuzahlungen bei der Krankenkasse befreit zu werden.

Und wenn man in akuter Geldnot ist? WDR-Wirtschaftsredakteur Landmesser rät im ersten Schritt - bevor es um weiter reichende soziale Hilfen geht - zu prüfen, ob man Wohngeld bekommen kann. Im Schnitt seien das immerhin 150 Euro im Monat. Es lässt sich online überprüfen, ob man einen Anspruch hat. "Das ist so, dass viele das gar nicht machen, obwohl sie eigentlich einen Anspruch darauf haben", sagt Landmesser.

Der Ratgeber-Seite "Finanztip" zufolge stellt nur jede dritte berechtigte Person auch einen entsprechenden Antrag. Das liege vielleicht auch an einer gewissen Scheu, so Landmesser, das sei aber nicht nötig. Das Geld stehe zur Verfügung, um zu helfen.

Über das Thema berichten wir unter anderem im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde am 21. August.

Weitere Themen