Ruhrgebiet

Endlich mal nicht Letzter: Wo das Ruhrgebiet spitze ist

Stand: 05.09.2024, 12:35 Uhr

Das Ruhrgebiet ist oft eine Problemzone. Arbeitslosigkeit und Armut stehen für die Region. Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten.

Von Niklas Schenk

Es quietscht und pfeift aus der ganzen Fabrik, in manchen Hallen versteht man sein eigenes Wort kaum. Mittendrin Sebastian Freith, den sie hier alle nur den "Schlauch-Flüsterer" nennen: "Gelsenkirchen wurde oft als Nabel der Schlauchwelt bezeichnet", sagt er und lacht.

Gelsenkirchen Weltspitze

Ein Schlauch in der Produktion

Gelsenkirchen ist Weltspitze – zumindest in der Schlauchherstellung. Seit 130 Jahren ist die Norres Baggerman Gruppe hier Zuhause und inzwischen Weltmarktführer. 4,5 Millionen Meter Schlauch hat das Unternehmen im vergangenen Jahr in die ganze Welt geschickt, Norres-Schläuche finden sich am Feuerwehrauto, Gülleschlauch, in der Lebensmittelindustrie, eigentlich überall. Auch der größte Konkurrent produziert in Gelsenkirchen.

Denn die Stadt mit den vielen Problemen, eine der ärmsten Städte der ganzen Republik, bietet auch Vorteile: Günstige Immobilien etwa oder eine gute Anbindung an Autobahn und Hafen. Die Norres Baggerman Gruppe will zwar weltweit wachsen, aber weiter im Pott bleiben. "Wir sind regional verwurzelt, in Gelsenkirchen arbeiten 200 unserer 400 Mitarbeiter", betont Norres Baggerman-Chef Albert Cordewener. "Das hier nimmt man nicht weg, Gelsenkirchen ist für uns extrem wichtig."

Die meisten Wärmepumpen und Solardächer

Es ist nur ein Beispiel dafür, was im Ruhrgebiet– neben allen Problemen – auch gut läuft. Der "Pott" hat auch die höchste Hochschuldichte Europas, den größten Binnenhafen, das beste Opernhaus und die meisten Influencer.

Das Rathaus der Stadt Bottrop von außen.

Das Rathaus der Stadt Bottrop

Und noch ein Beispiel: Bottrop, die Stadt mit den meisten Wärmepumpen in ganz Deutschland und der höchsten Solardichte in NRW.

Dort führen sie den Erfolg vor allem auf das Projekt "Innovation City Ruhr" zurück, das der Initiativkreis Ruhr 2010 ins Leben gerufen hatte. Erstmals sollte eine industriell geprägte Stadt umfassend energetisch saniert werden. Ausgerechnet Bottrop, die ehemalige Kohlestadt mit dem Bergwerk Prosper-Haniel, bekam den Zuschlag – und nutzte die Chance.

Von Malocherstadt zu Innovation City

"Früher war das hier eine typische Malocherstadt, es ging nur um Kohle und Stahl, alles grau, Staub in der Luft", sagt Stefan Heidrich, der in Bottrop eine Solar- und Wärmepumpenfirma leitet. Heute richtet er beim Bottroper Friedel Scheulen eine Anlage ein, er lebt schon seit 70 Jahren hier.

"Es wurde praktisch jeder angesprochen", erinnert er sich. "Was Innovation City Ruhr so erfolgreich gemacht hat, war das aktive Einbinden und progressive Zugehen auf die Bürger. Und nicht ein Konzept hinstellen und mal warten, wer sich da meldet", sagt er, was sich auch als Kritik am bundesweiten Heizungsgesetz verstehen lässt. Das findet Scheulen "unsäglich".

Musterschüler Energiewende

Niederschwellige Politik als Erfolgsmodell – Bottrop ist so zum Musterschüler der Energiewende in NRW geworden. Für den Regionalverband Ruhr ideale Werbung, denn das Ziel des RVR ist es, das Ruhrgebiet zur "grünsten Industrieregion der Welt" zu machen. Erreichen möchte der RVR das bis 2027, dann findet im Pott die Internationale Gartenschau statt.

"Wir müssen umsteuern im Ruhrgebiet, in der Mobilität, Energiezeugung, in der Art und Weise, wie wir bauen", sagt RVR-Regionaldirektor Garrelt Duin. Er sagt aber auch: "Es hat sich vieles getan, es ist auch viel Neues entstanden." Das sei aber noch nicht überall angekommen.

Das Ruhrgebiet habe ein Imageproblem - das Bild orientiere sich eher am Film "Wunder von Bern", der in den 50ern spielt, "alles grau und selten mal was Schönes", sagt Duin. "Das ist unsere Aufgabe, die Realität hier stärker abzubilden."

Unsere Quellen:

  • Reporter vor Ort
  • Norres Baggerman Gruppe
  • Regionalverband Ruhr
  • Initiativkreis Ruhr
  • Haus der Geschichte des Ruhrgebiets
  • Urbane Künste Ruhr

Über dieses Thema berichtet der WDR am 05.09.2024 auch im Fernsehen in der Lokalzeit Ruhr und im Radio auf WDR 2.

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