Nach tödlichem Polizeieinsatz: Wie geht es den Wohnungslosen in Dortmund?
Lokalzeit aus Dortmund. 08.04.2024. 25:23 Min.. Verfügbar bis 08.04.2026. WDR. Von Christof Voigt.
Polizeischuss auf Obdachlosen: "Was, wenn das auch mir passiert?"
Stand: 08.04.2024, 18:26 Uhr
Nach dem tödlichen Schuss auf einen Obdachlosen in Dortmund beschäftigt das Thema die Menschen vor Ort. Besonders unter Obdachlosen und Menschen, die auf der Straße gelebt haben, ist das Unverständnis groß.
Von David Peters
Der Polizeieinsatz der vergangenen Woche ist Thema im "Gast-Haus", einer Anlaufstelle für Obdachlose in Dortmund an der Rheinischen Straße. Der 31-jährige Kim ist seit viereinhalb Jahren obdachlos. Auch ihn beschäftigt der Vorfall. Am Abend des Polizeieinsatzes war er selbst in der Innenstadt unterwegs. "Ich frag mich, warum die Polizisten es nicht geschafft haben, den Mann zu entwaffnen", erzählt Kim. Viele Obdachlose seien deswegen unruhig.
Frank (links) und Kim (rechts) sprechen im „Gast-Haus“ über den Vorfall in der letzten Woche.
Er selbst werde öfter von der Polizei kontrolliert und hat jetzt Angst, dass so eine Kontrolle einmal eskalieren könnte. "Die Polizei will ich an sich nicht schlecht machen," aber viele Polizisten würden Obdachlose nicht anständig behandeln, so Kim. Er selbst habe sogar schon Polizeigewalt erlebt, erzählt er.
"Da ist irgendwas schief gelaufen"
Auch der 62-jährige Frank ist im "Gast-Haus". Er war zweieinhalb Jahre obdachlos. Bei ihm hat der tödliche Schuss Bestürzung ausgelöst. Er habe sich direkt gefragt, wer von seinen Bekannten es gewesen sein könnte. Er "wundere" sich, wieso es soweit kommen musste.
"Hätte es da nicht andere und bessere Maßnahmen als den Schuss gegeben?", fragt sich Frank. "Wieso kann man sich nicht einfach auf den draufwerfen? Da ist irgendwas schief gelaufen." Grundsätzlich mache die Polizei ihren Job aber gut, sagt Frank. "Es tut mir leid um den Mann, der zu Tode gekommen ist, aber auch um die Person, die geschossen hat, die wird Zeit ihres Lebens die Sache mit sich herumtragen."
bodo-Verkäufer kannte Opfer
Bodo-Verkäufer Stratos kannte das Opfer vom Sehen.
Mitten in der Innenstadt steht Stratos in einer roten Weste. Im Durchgang vom Alten Markt zum Hansaplatz verkauft er das Straßenmagazin bodo. Stratos war rund zwei Jahre obdachlos. "Man kennt sich hier untereinander", erzählt er. Auch den Obdachlosen, der in der letzten Woche erschossen wurde, kannte er. Der soll seit rund einem Jahr oft in der Innenstadt gewesen sein. "Ich kannte ihn jetzt nicht sehr gut, aber ich hab ihn fast jeden Tag gesehen", berichtet Stratos.
Der Vorfall sei ein Schock gewesen. Für ihn und viele andere auf der Straße auch. Man würde sich in so einer Situation fragen: "Was, wenn sowas auch mir passiert?" Stratos hält den Schuss auf den Obdachlosen für unverhältnismäßig: "Ich bin der Meinung, dass die da übertrieben gehandelt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit sechs Polizisten jemanden nicht unter Kontrolle kriegen kann."
Getöteter soll mit Eisenstange auf Polizisten losgegangen sein
Nach ersten Erkenntnissen soll der getötete Obdachlose mit einer Eisenstange auf die Polizisten losgegangen sein. Diese hätten mehrfach einen Taser eingesetzt und ihn aufgefordert, die Stange wegzulegen, beides ohne große Wirkung. Kurze Zeit später schoss ein Polizist auf den Oberkörper des Obdachlosen. Der Mann starb kurze Zeit später. Ob der Schuss rechtmäßig war oder ob doch ein anderes Vorgehen angebracht gewesen wäre, das ermittelt jetzt die Dortmunder Staatsanwaltschaft.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Kim, Frank und Stratos
- Staatsanwaltschaft Dortmund