Stolpersteine in Essen verschwunden

Stand: 17.11.2023, 15:24 Uhr

Im Essener Stadtteil Steele sind zwei Stolpersteine gestohlen worden. Unbekannte haben die Gedenksteine aus dem Boden gebrochen und mitgenommen. Anwohner und engagierte Bürgerinnen und Bürger sind entsetzt über die Tat.

Von Till Schwachenwalde

Im Boden vor dem Haus an der Dahlhauser Straße 20 im Essener Stadtteil Steele ist gut zu sehen, dass etwas fehlt und nur notdürftig aufgefüllt worden ist. Fein säuberlich sind sauber zugeschnittene Gehwegplatten zu sehen - in der Mitte eine Mischung aus Sand, kleinen Steinen und etwas, das wie ein Pflasterstein mit Wachs drauf aussieht.

"Das habe ich da reingefüllt, damit niemand stolpert. Ich hatte nur einen alten Kerzenständer aus Stein zur Hand", erklärt ein Nachbar aus der ersten Etage des Hauses. Eigentlich sollten in dem aufgefüllten Loch drei Stolpersteine liegen: für die ehemaligen Bewohner Abraham, Siegfried und Auguste Kongrecki. Sie wurden von den Nationalsozialisten deportiert, zwei wurden ermordert.

Gedenksteine sind verschwunden

Das Foto zeigt ein Handy. Zu sehen ist ein Foto von einem Gehweg, auf dem einer von drei Stolpersteinen verschwunden ist.

Zwei der Steine sind gestohlen worden, den dritten hat die Polizei vorsichtshalber mitgenommen, damit er nicht auch gestohlen wird. Andreas Kühnel ist am Dienstagmittag durch die Dahlhauser Straße gegangen, ihm ist dabei aufgefallen, dass ein Stein fehlt. Der zweite muss also am Nachmittag gestohlen worden sein, das bestätigt auch die Essener Polizei. Möglicherweise gibt es also zwei verschiedene Täter oder Tätergruppen. Die Polizei ermittelt im Moment in alle Richtungen, will aber zum Beispiel einen Metalldiebstahl auch nicht ausschließen. Der Staatsschutz ist eingeschaltet.

Entsetzen bei "Steele ist bunt"

Das Bündnis "Steele ist bunt" engagiert sich seit vielen Jahren in dem Stadtteil gegen Rassismus und Antisemitismus, auch weil dort immer wieder Rechtsradikale versuchen die Oberhand zu gewinnen. Den Diebstahl haben die Nachbarn öffentlich gemacht, weil sie entsetzt über diese Tat sind. Es sei ein "wiederwärtiger Akt menschenverachtenden antisemitischen Hasses", schreibt das Bündnis und sieht die Tat als Teil der antisemitischen Gewalttaten in Deutschland, die in den letzten Wochen deutlich zugenommen haben.

"Ich finde das ensetzlich, ganz furchtbar, dass mit diesem wichtigen Mahnmal so umgegangen wird. Ich interpetiere es, ich weiß es nicht, ich interpretiere es für mich persönlich so, dass das Gedenken an die Greueltaten der Nazis gründlich ausgelöscht werden soll." Irene Wollenberg
Das Foto zeigt Irene Wollenberg. Eine Sprecherin des Bündnis "Steele bleibt bunt", dass sich im Essener Stadtteil Steele gegen Rassismuss und Antisemitismus engagiert.

Irene Wollenberg vom Bündnis "Steele bleibt bunt"

Das Bild zeigt eine Gruppe Menschen. Sie stehen auf einem Gehweg aus dem Stolpersteine verschwunden sind.

"Seit 2006 liegen hier in Steele Stolpersteine. So etwas hat es hier noch nie gegeben", sagt Ingrid Niemann. Sie recherchiert seit vielen Jahren zusammen mit ihrem Mann über Opfer der Nationalsozialisten im Stadtteil Steele. Auf ihre Initiative hin hat der Künstler Gunter Demnig in den letzten Jahren insgesamt 59 Steine verlegt. "Als wir das gehört haben, waren wir geschockt, entsetzt", so Niemann. Wer das getan hat kann sie nicht sagen, vermutet aber ebenfalls, dass die Tat in die gestiegene Zahl der antisemitischen Taten einzuordnen ist.

Stolpersteine wurden erst vor vier Wochen gelegt

Die zwei verschwundenen Stolpersteine seien erst vor vier Wochen verlegt worden, erzählt Ingrid Niemann. Gunter Demnig habe das selber gemacht. Dabei waren auch Schülerinnen und Schüler der Essener Marienschule. Siegfried Kongrecki war von 1933 bis 1936 zu dieser Schule gegangen. Dann hat sein Vater ihn aus der Schule genommen, weil Siegfried so sehr unter den Anfeindungen der anderen Schüler gelitten hatte.

Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Sie werden vor den Häusern verlegt, in denen Menschen gelebt haben, die von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und zum größten Teil ermordet worden sind. Es handelt sich dabei unter anderem um Juden, Homosexuelle oder Sinti und Roma.

Über das Thema haben wir am 17.11.2023 auch in der Lokalzeit Rhein/Ruhr auf WDR2 und im Fernsehen in der Lokalzeit Ruhr berichtet.

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