Eine Person hält das Deutschlandticket in der Hand

Wie läuft's mit dem Deutschlandticket?

Stand: 02.05.2023, 16:08 Uhr

Wie läuft der erste Arbeitstag mit dem Deutschlandticket? Wo hakt es noch, was freut die Nutzer und wie sind die Aussichten? Am Essener Hauptbahnhof war der Start etwas holprig.

Von Christian Richter

Beim VRR-Ticketservice im Essener Hauptbahnhof ist ordentlich was los. Seit dem 1. Mai ist das Deutschlandticket digital über diverse Apps oder klassisch am Schalter erhältlich. Über Stunden stehen hier dauerhaft rund 70 Menschen an, um das Deutschlandticket zu kaufen. Eine Verkäuferin sagt, dass das seit Freitag so gehe, da die Server zusammengebrochen seien, womit ein Online-Kauf des Tickets nicht sehr gut funktioniere.

Ticketverkaufsstellen werden überrannt

Das bestätigt auch ein Reisender, der berichtet, dass er Probleme mit dem Online-Ticketkauf hat. In die langen Schlangen stellen möchte er sich aber nicht. Er probiert es über eine App, vergeblich. Auch beim Deutsche-Bahn-Reisezentrum hinter dem Bahnhof und bei der Ruhrbahn in der Innenstadt stehen viele Menschen an. Offenbar bevorzugen sie das Deutschlandticket als Chipkarte und nehmen die Wartezeit in Kauf.

Lange Schlangen vor dem VRR-Ticketservice im Essener Hauptbahnhof

Lange Schlangen vor dem VRR-Ticketservice im Essener Hauptbahnhof

Für Schüler und Studierende unattraktiv?

Die 67-jährige Lisa ist viel in Essen unterwegs und findet den Preis "nicht gut". Sie findet, es hätte weiterhin eine Mitnahme-Regelung geben müssen. Bei ihrem vorigen Ticket hätte sie am Wochenende problemlos ihren siebenjährigen Enkel mitnehmen können, das gehe nun nicht mehr, da er jetzt ein eigenes Ticket brauche.

Lisa sieht auch junge Menschen mit wenig Einkommen wenig bedacht, wünscht sich hier eine Unterteilung zum Vorteil junger Menschen. Das sieht auch die 16-jährige Schülerin Tolani so. Schüler und Studierende sollten weniger zahlen müssen, sagt sie.

"Preis ist im Vergleich zu sonstigen Monatstickets angemessen"

Rickmer (37) aus Essen ist "bewusster Fahrradfahrer und ÖPNV-Nutzer" und hat schon das Deutschlandticket. Den Preis von 49 Euro findet er "im Vergleich zu den Monatstickets, die man vorher bezahlen musste, angemessen. Dafür, dass es deutschlandweit gilt, ist das wesentlich günstiger."

Auch der Rentner Jürgen (69) aus Essen findet das Deutschlandticket preislich in Ordnung. Er fährt zwar meistens mit dem Fahrrad, aber seine Frau, die bisher mit dem Bärenticket gefahren ist, zahle nun deutlich weniger pro Monat. Im vergangenen Jahr sei Jürgen, "nur um zu wissen, ob das funktioniert", zweimal mit dem 9-Euro-Ticket nach Cuxhaven gefahren. "Aber die Züge: brechend voll!"

VRR geht von erhöhter Nutzung des Nahverkehrs aus

Dass die Züge mit dem 49-Euro-Ticket auch wieder so voll werden, glauben die Befragten am Essener Hauptbahnhof eher nicht, höchstens in den Sommerferien. Das liege dann am Preis, der ja doch 40 Euro höher sei als beim 9-Euro-Ticket. Kein Schnäppchen also.

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hingegen geht von einer erhöhten Nutzung des Nahverkehrs durch die Einführung des Deutschlandtickets aus. "Allerdings nicht in dem Maße, wie während des Aktionszeitraums des 9-Euro-Tickets im vergangenen Jahr. Für einen nachhaltigen Markterfolg des DeutschlandTickets und eine dauerhafte Zunahme von Fahrgästen, ist es zwingend notwendig, attraktive und bedarfsgerechte Leistungen anzubieten und die Mobilitätsangebote auszubauen", heißt es auf WDR-Anfrage.

"Ticket könnte sogar noch teurer sein"

Sven (21) findet das Deutschlandticket gut, sieht aber grundsätzlich andere Baustellen bei den Verkehrsunternehmen. "Die Bahnen waren vorher schon ziemlich ausgelastet, kamen des Öfteren zu spät und ich hoffe, dass das in Zukunft nicht noch schlimmer wird. Mehr Menschen werden das Ticket haben und dementsprechend mehr fahren."

Den Preis von 49 Euro findet Sven jedoch "angemessener als beim 9-Euro-Ticket. Ich denke, dass nur bestimmte Leute die 50 Euro bezahlen würden – beim 9-Euro-Ticket war das viel spontaner möglich, neun Euro sind ja nix, damit ist jeder gefahren. Beim 50-Euro-Ticket kann man das nicht so spontan machen. Ich würde sogar sagen, dass es ein bisschen teurer sein könnte. Ich finde, wenn man 100 Euro im Monat bezahlt – dafür, dass man in ganz Deutschland fahren darf – dann wäre das schon recht angemessen."

"Auto nur zum Transportieren"

Auch Harald (46) würde mehr für das Deutschlandticket bezahlen. "Bahnfahren war vorher unheimlich teuer. Ich denke schon, das Deutschlandticket wird viele dazu motivieren, umzusteigen, vor allem im Pendlerverkehr." Zwar hat Harald auch ein Auto, aber das nutzt er "eigentlich nur zum Transportieren." An den Angeboten müsse allerdings noch gearbeitet werden, sagt er. Mehr Züge, vielleicht längere Züge, bessere Taktungen, wie zum Beispiel in London.

Das Deutschlandticket – ein Erfolgsmodell?

Rickmer glaubt, dass das Deutschlandticket ein Erfolg wird: "Das ist sicherlich nicht für jeden, aber es gibt Menschen, die aufs Geld achten müssen oder sich morgens den Stress im Auto, im Berufsverkehr nicht geben wollen. Für die ist es eine Möglichkeit, weil die Leute einfach merken werden, welche Vorteile der ÖPNV hat und dass es trotz Ausfällen und Sperrungen und Baustellen doch ganz gut funktioniert."

Sven denkt, dass das Deutschlandticket erfolgreich sein wird, aber "wenn die Bahn jetzt nicht so viel dafür tut und die Bahnen noch später fahren als vorher schon, die Züge überfüllt sind", könnten wieder einige Menschen aufs Auto umsteigen. Doris (71) glaubt, dass das Deutschlandticket ein Erfolg wird, "weil es jetzt dauerhaft günstig ist, nicht nur drei Monate lang wie beim 9-Euro-Ticket." Sie könne nun auch unter der Woche mal nach Bochum fahren, ohne große Unkosten zu haben. Der Preis ist diesmal fest, freut sie sich.

ADAC sieht noch keine Auswirkungen auf den Straßen

Laut ADAC hat das Deutschlandticket bei seinem ersten Einsatz an einem Werktag in Nordrhein-Westfalen nicht zu deutlicher Entlastung im Straßenverkehr geführt. Zwischen 6 und 9 Uhr morgens zählte der ADAC auf den Autobahnen in NRW knapp 700 Staumeldungen mit einer Gesamtlänge von rund 860 Kilometern. "Es war wieder sehr voll", sagte ein ADAC-Sprecher. "Einen Ad-hoc-Effekt des Tickets haben wir jedenfalls nicht gespürt."

Auch die Bahn geht von einer Anlaufzeit aus: "Das geht nur sukzessive", sagte ein Bahn-Sprecher. Die Leute würden das Ticket für 49 Euro nach und nach kaufen und es dann auch einsetzen.