Neue Stolperschwelle erinnert an Verfolgung Homosexueller

Lokalzeit Ruhr 07.06.2024 02:31 Min. Verfügbar bis 07.06.2026 WDR Von Fabienne Elaine Strohmer

"Berührend": Stolperschwelle für verfolgte Homosexuelle in Bochum verlegt

Stand: 07.06.2024, 20:50 Uhr

In Bochum ist am Freitag eine Stolperschwelle zur Erinnerung an die in der NS-Zeit verfolgten Homosexuellen verlegt worden. Sie ist die erste in Deutschland.

"Es ist schon berührend, aber so richtig wird das erst in den nächsten Tagen kommen", sagt Jürgen Wenke während er in Richtung Boden guckt. Dahin, wo gerade eine Stolperschwelle zur Erinnerung an die Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit verlegt wird. Die allererste in Deutschland. Wenke, Psychologe aus Bochum, hat dafür lange gekämpft und geworben.

Menschen stehen mit Regenbogenflaggen bei der Verlegung der Stolperschwelle für verfolgte Homosexuelle in der NS-Zeit in Bochum

Mitarbeiter der Bogestra bei der Verlegung: Sie haben für die Stolperschwelle Geld gesammelt

Rund 60 Zentimeter lang ist diese Stolperschwelle. Ihre Messingoberfläche glänzt in der Sonne. "Im Gedenken an die homosexuellen Opfer" steht darauf. Und weiter: "Ausgegrenzt, denunziert, verhaftet, verhört, misshandelt, verurteilt". Wenke hat den Text zusammen mit dem Künstler Gunter Demnig entworfen. Demnig ist durch die kleinen quadratischen Stolpersteine zur Erinnerung an Holocaust-Opfer bekannt geworden. Die Verlegung in Bochum übernimmt er selbst.

Homosexuelle jahrzehntelang verfolgt

Der Ort, an dem die Stolperschwelle liegt, ist alles andere als ein Zufall. Sie wurde auf dem Husemannplatz vor dem neuen "Husemann-Karree" in den Boden eingelassen. Da, wo früher das Bochumer Landgericht stand. Der Text auf der Schwelle endet mit: "Hier begann für viele Männer der Weg in den Tod".

Denn seit 1871 stand Homosexualität unter Strafe, da wurde der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches eingeführt - und erst 1994 aufgehoben. Die Nationalsozialisten verschärften den Paragrafen noch. Allein ein Verdacht konnte schon zu einer jahrelangen Gefängnisstrafe führen. Rund 50.000 Männer wurden laut Bundeszentrale für Politische Bildung verurteilt. Bis zu 15.000 Homosexuelle mussten in Konzentrationslager. Wie viele in Bochum betroffen waren, ist unklar.

Bochumer arbeitet Schicksale Homosexueller auf

Jürgen Wenke, Psychologe aus Bochum, kniet neben der frisch verlegten Stolperschwelle, für die er sich eingesetzt hat

Stolz auf die Stolperschwelle: Initiator Jürgen Wenke

Wenke beschäftigt das Schicksal dieser Menschen seit vielen Jahren. Er hat unter anderem in Listen aus Konzentrationslagern recherchiert, ihr Leben und Sterben aufgearbeitet. "Vor 17 Jahren habe ich dafür gesorgt, dass der erste Stolperstein für einen verfolgten Homosexuellen verlegt wird", sagt er. Mittlerweile sind es mehr als 60 Steine in 25 Städten, unter anderem in Bochum.

Sein Problem: "Es gibt bisher kaum einen Erinnerungsort für die verfolgten Homosexuellen in Deutschland." So kam die Idee für die Stolperschwelle. Sie soll nicht einzelne Schicksale beleuchten, sondern bezieht alle mit ein. Wenke guckt aber nicht nur zurück: "Schwul ist immer noch ein Schimpfwort auf Schulhöfen", sagt er, "das ist nicht nur Vergangenheit".

Stolperschwelle für verfolgte Homosexuelle in Bochum verlegt

WDR Studios NRW 07.06.2024 00:39 Min. Verfügbar bis 07.06.2026 WDR Online


Unsere Quellen:

  • Jürgen Wenke, Initiator Stolperschwelle
  • Bundeszentrale für Politische Bildung
  • WDR-Reporter vor Ort