Angeklagter im Gericht

Missbrauchsprozess Wermelskirchen: Angeklagter gesteht

Heute hat vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen einen 45-Jährigen im "Missbrauchskomplex Wermelskirchen" begonnen. Ihm wird unter anderem sexualisierte Gewalt an Kindern in 99 Fällen vorgeworfen.

Von Markus Schmitz

Der Angeklagte im Missbrauchsfall Wermelskirchen hat vor Gericht die ihm vorgeworfenen Taten in einer Erklärung eingeräumt. Dem 45-Jährigen aus Wermelskirchen wird in dem Verfahren vorgeworfen, immer wieder Kinder schwer missbraucht und davon Aufnahmen gemacht zu haben. 

Täter hatte sich als Babysitter angeboten

"Die soeben verlesene Anklage wird von dem Angeklagten vollständig eingeräumt. Alle dort erhobenen Vorwürfe treffen zu", sagte sein Verteidiger, der das Schreiben vorlas, heute im Kölner Landgericht. Darüber hinaus stehe sein Mandant auch für Fragen zur Verfügung. Ziel sei es, die "für alle Verfahrensbeteiligten nicht einfache Beweisaufnahme" möglichst abzukürzen. Zudem kündigte der Anwalt ein Schmerzensgeld an, das den Opfern "kurzfristig" gezahlt werden solle.

Dem 45-Jährigen aus Wermelskirchen wird in dem Verfahren vorgeworfen, immer wieder Kinder schwer missbraucht und davon Aufnahmen gemacht zu haben. Seinen Opfern habe er sich unter anderem genähert, indem er sich als Babysitter und Betreuer angeboten habe. Zudem soll er mit anderen Männern in Kontakt gestanden und diese etwa zu Missbrauch animiert haben. Die Spuren, die Ermittler bei ihm fanden, führten zu zahlreichen weiteren Ermittlungsverfahren.

Vor einem Jahr: SEK stürmt Haus in Wermelskirchen

Der Prozess gegen den Mann begann heute Morgen. Sein Anwalt sagte, dass sein Mandant in der Presse vereinzelt als "Monster" bezeichnet worden sei. Wenn man die Anklage gehört habe, sei diese Bezeichnung "vielleicht gar nicht so falsch". Das Gericht sollte aber auch sein heutiges Verhalten betrachten. "Wir gehen davon aus, dass man dann zu der Überzeugung kommt, dass hier heute eine andere Persönlichkeit sitzt. Die jedenfalls heute nicht mehr das Monster ist, das alle fürchten müssen."

Ein Spezialeinsatzkommando hatte den jetzt Angeklagten vor einem Jahr festgenommen. Der Mann befand sich in seinem Haus in Wermelskirchen und war mit Kollegen in einer Videoschalte. Als die bewaffneten Männer den Tatverdächtigen von seinem Computer wegzogen, dachten die Kollegen an einen Überfall. Es war allerdings der Zugriff, der eine 14 Jahre andauernde Serie von sexualisierter Gewalt an Kindern beendete. 

Polizeipräsident: "Ausmaß an Brutalität nicht vorstellbar"

Die Ermittlungen gegen den Mann waren aufwendig. Millionen von Fotos und Videos stellte die Polizei sicher. Auf einer Pressekonferenz Ende Mai im Kölner Polizeipräsidium informieren die Ermittler die Öffentlichkeit. Der Polizeipräsident Falk Schnabel und der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Roth machen mit ihren persönliche Worten zu diesem Fall ihre Betroffenheit deutlich.  

"Ein solches Ausmaß an Brutalität und Gleichgültigkeit gegenüber Kindern, deren Schmerzen und ihrer Angst, ist mir noch nicht begegnet, und ich hätte es mir auch nicht vorstellen können", so Polizeipräsident Schnabel .

124 Taten wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. In 99 Fällen handle es sich dabei um Vorwürfe der sexualisierten Gewalt an Kindern. Andere drehten sich unter anderem um Beihilfe zu sexualisierter Gewalt oder auch um kinderpornografische Schriften.

Jüngstes Opfer offenbar nicht mal ein Jahr alt

Das jüngste Opfer soll erst vier Wochen alt gewesen sein. Unter den Kindern sind der Anklage zufolge auch zwei mit geistiger Behinderung. Die Ermittler gaben dem Fall den Namen "Liste" - eine Andeutung darauf, dass der Angeklagte offenbar über jede Missbrauchstat akribisch Buch geführt hat.

Das führt auch dazu, dass man jetzt weitere Tatverdächtige benennen kann. Die Verteidiger des Mannes haben von Anfang an davon gesprochen, dass ihr Mandant an der Aufklärung mitgearbeitet habe. Für den zweiten Prozesstag ist ein umfassendes Geständnis angekündigt. Ob das vor Gericht zu einem Strafnachlass führt, ist unklar. Schon jetzt hat die Staatsanwaltschaft die Sicherungsverwahrung für den Mann in Aussicht gestellt. Er habe einen Hang zu Straftaten und sei gefährlich für die Allgemeinheit.

Fall sorgte für Aufsehen

Die Aufdeckung des Falls hatte hohe Wellen geschlagen, weil er - ähnlich wie andere Missbrauchskomplexe der vergangenen Jahre wie etwa in Bergisch Gladbach - zu zahlreichen weiteren Ermittlungsverfahren gegen weitere Beschuldigte führte.

Über dieses Thema berichtet auch die Lokalzeit aus Köln im Hörfunk auf WDR2 am 06.12.2022.