Nach Hitzesommer: Waldökologe sieht Hambacher Forst bedroht

Stand: 15.09.2022, 19:16 Uhr

Zu trocken - zu heiß: Auch der Hambacher Forst - bundesweites Symbol der Anti-Kohle-Bewegung - steht unter großem Stress. Der Waldökologe und Baumforscher Pierre Ibisch hat den Wald nun unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Dem Hambacher Forst müsse jetzt dringend geholfen werden.

Von Stephan Pesch

Pierre Ibisch ist fassungslos. Kopfschüttelnd geht der Biologe und Hochschulprofessor aus dem brandenburgischen Eberswalde durch den Hambacher Forst. Der Waldboden ist übersät mit grünen Blättern. Dann wühlt der 54-Jährige die Erde auf und eine kleine Staubwolke steigt nach oben.

Schnell dokumentiert Ibisch seine Entdeckung mit der Kamera: "Alles trocken, viel zu trocken," so sein Fazit. Seine Schwerpunkte an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde sind Biodiversität und globaler Wandel. Deutschlandweit untersucht der Waldökologe die Folgen der Sommerhitze, nun im Rheinischen Braunkohlerevier.

Viele Bäume werfen ihr grünes Laub ab

Pierre Ibisch im Hambacher Forst

In einem breiten Waldstreifen entlang des Tagebaus Hambach haben bereits jetzt, Anfang September, viele Bäume ihr Laub abgeworfen. Das grüne Dach des noch vor wenigen Jahren umstrittenen und umkämpften Waldes bekommt immer größere Löcher. Der Waldforscher ringt um Fassung: "Das ist im Grunde ein Wald, der beginnt sich aufzulösen," sagt der 54-Jährige. 

"Klar, jetzt hatten wir diesen extrem heißen Sommer, der ja noch gar nicht zu Ende ist. Und klar war, dass gerade am Rande des Waldes und vor allem zum Tagebau, der Hitzestress gigantisch ist. Die Bäume sterben. Der Wald öffnet sich. Es gibt keinen Schutz. Es gibt kein Wasser mehr zu verdunsten. Das ist hier eine richtige Eskalation." Pierre Ibisch

Aufforstung am Tagebau unter Trockenstress

Am Tagebaurand entdeckt Pierre Ibisch viele junge Bäumchen. RWE hat hier im Frühjahr aufgeforstet. Etwa 17.000 Bäume und Sträucher. Doch jetzt sind fast alle schon im Herbstmodus, bei einigen ragen nur noch kahle Triebe in die Höhe.

Der Tagebaubetreiber RWE, zugleich Eigentümer des Hambacher Forst, führt den frühen Herbstmodus der jungen Pflanzen auf mehrere Umstände zurück. Neben der extremen Trockenheit auch auf schlechte Kiesböden und auf Wildverbiss, schreibt Revierförster Elmar Kampkötter auf Anfrage. Nach seiner Einschätzung gehe es den bislang aufgeforsteten Flächen am Wald noch recht gut. Viele Pflanzen seien bereits im Laubfall und deshalb vielleicht nicht von toten Pflanzen zu unterscheiden, ergänzt Revierförster Kampkötter.

Tagebau Hambach als Hitzespot

Pierre Ibisch ist da skeptisch. Schon seit Jahren untersucht der Waldökologe mit seinem Biologenteam, wie Wälder auf Veränderungen des Klimas reagieren. Die Wissenschaftler werten dabei auch Wärmebildaufnahmen von Satelliten aus. Eine aus dem vergangenen Jahr zeigt farblich die durchschnittlichen Mittagstemperaturen der wärmsten Tage im Rheinland. Blau für kühle Orte. Rot für heiße. Der Braunkohletagebau Hambach leuchtet so feuerrot, wie ein heißer Ofen. "Ich würd's eher wie einen Fön beschreiben, der enorm heiße Luft auf den Wald bläst und dann tatsächlich die empfindlichen Organe der Bäume, die Blätter, regelrecht grillt," meint Ibisch.

Land NRW strebt Eigentümerwechsel an

Die Landesregierung in Düsseldorf bestätigt Ibischs Forschungsergebnisse und damit auch den schlechten Zustand des Waldes. Der Hambacher Forst vertrockne, sagt Landesumweltminister Oliver Krischer von den Grünen. Krischer will den Wald retten, aber noch seien ihm die Hände gebunden, so der 53-Jährige. "Der Wald gehört noch RWE. Es braucht hier schnelle Entscheidungen. Daran arbeiten wir in der Landesregierung." Um den Wald doch noch zu retten, setzt Oliver Krischer auf eine massive Aufforstung, auch auf bislang noch landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Waldökologe fordert rasche Hilfe

Doch es gibt schon jetzt auch Zeichen der Hoffnung. Biologe Ibisch entdeckt auf seiner Exkursion immer wieder junge Pionierpflanzen. Selbst entlang der ehemaligen Trasse der A4, die mitten durch den Wald verläuft, erobern sich junge Bäumchen die kargen Böden zurück.
"Es ist einfach sehr sehr spät," so die Bilanz des Wissenschaftlers. "Das einzige was hilft ist Masse. Es braucht ein kritische Maß an Vegetation. Allemal müssen dafür Flächen rekultiviert werden."

Hitzekarte vom Hambacher Forst

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 15.09.2022 auch im Fernsehen um 19.30 Uhr in der Lokalzeit.