Türkei-Wahl in NRW - Großer Andrang an den Wahlurnen

Stand: 27.04.2023, 17:47 Uhr

In NRW hat am Donnerstag die Türkei-Wahl begonnen. Bis zum 9. Mai können etwa 500.000 Menschen mit türkischem Pass ihre Stimme abgeben. In Düsseldorf, Essen, Hürth bei Köln, Greven nahe Münster und Aachen sind die Wahlurnen geöffnet.

Von Piet Keusen

Morgens kurz vor neun an der Willstädter Straße in Düsseldorf-Heerdt. Noch herrscht hier die Ruhe vor dem Sturm. In zehn Minuten darf gewählt werden. Die letzten Vorbereitungen laufen. Eilig tragen die Mitarbeiter in schwarzen Anzügen Stahlgitter herum, sperren den Gehweg für den erwarteten Ansturm.

Ansturm aus allen Regionen

Und der kommt pünktlich um 9 Uhr. Aus allen Richtungen fahren Autos vor: aus Aachen, Oberhausen, Duisburg oder dem Kreis Heinsberg. Das Problem: Das türkische Generalkonsulat liegt zwischen Bürohäusern und einer Trampolinhalle.

Parkplätze in der Gegend sind knapp. Aber das Konsulat hat vorgesorgt, Mitarbeiter mit gelben Westen regeln den Verkehr und halten das Verkehrschaos in Grenzen.

Eingeschränkter Zugang zum Generalkonsulat

Mittendrin schaut Generalkonsulin Ayşegül Gökçen Karaarslan vorbei, ob alles funktioniert. Mit den Medien möchte sie vor der Wahl nicht sprechen. Auch Zutritt zum Generalkonsulat gibt es für Journalisten von WDR und ZDF nicht, dort darf nur ein Kollege des türkischen Senders ATV drehen. Der Rest schaut sich das Treiben von draußen an. Und sieht, wie die Schlange immer länger wird.

Schon um kurz nach neun stehen mehr als 150 Menschen vor dem Konsulat an. In der Hand ihren Pass. "Meine Mutter wollte früh kommen", erzählt Erdan aus Kaarst, "wir fliegen heute Abend in die Türkei und da dürfen wir nicht wählen, weil wir in Deutschland wohnen. Deshalb wollten wir es heute noch machen."

Erdoğan oder Kılıçdaroğlu?

Die Schlange schreckt ihn nicht ab. Die Stimmabgabe heute dauert etwa 15 Minuten. Wen er wählt, das möchte Erdem nicht sagen, wird dann aber deutlich: "Ich habe viele Familienangehörige in der Türkei. Die sagen, dass sich das Leben drastisch verschlechtert hat. Wir sollten dafür sorgen, dass es den Menschen dort besser geht."

Ein Porträt von Erdan aus Kaarst. Er hat Familie in der Türkei. Auch er hat bereits in Düsseldorf gewählt.

Erdan aus Kaarst hat Familie in der Türkei. Auch er hat bereits in Düsseldorf gewählt.

Andere Wähler sind für ein weiter so. Mustafa aus Duisburg etwa hat seine Stimme Erdoğan gegeben. "Wenn sie sehen, was er in den letzten 20 Jahren geleistet hat, dann kann man das nur befürworten. Ich lebe seit 55 Jahren in Deutschland und früher hat man sich ein bisschen geschämt, aber jetzt ist es bewundernswert, was die Türkei in den letzten Jahren gemacht hat."

Spannendste Wahl seit langem

Es könnte die spannendste Wahl seit langem werden. Viele Türkinnen und Türken sind wegen des Managements nach dem verheerenden Erdbeben und der hohen Inflation unzufrieden. Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dem Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu.

Die in Deutschland lebenden Wahlberechtigten könnten damit das Zünglein an der Waage sein. Manche der Wähler und Wählerinnen in Düsseldorf rechnen mit einer Stichwahl, andere hoffen auf den Wechsel, die Mehrheit an diesem Morgen aber hofft auf eine Wiederwahl von Erdoğan.

Die Stimmung rund ums Konsulat bleibt trotzdem bestens. Überall kommen die Menschen ins Gespräch und selbst die, die zum dritten Mal um den Block fahren, weil sie keinen Parkplatz finden, stellen sich mit einen Lächeln in die Schlange. "Wählen ist meine Pflicht", sagt etwa Betün Benli aus Neuss, "ich bin extra früh gekommen. Am Wochenende wird es noch voller, da hätte ich gar keinen Parkplatz gefunden." Dann werden Busse zum Beispiel aus dem Ruhrgebiet erwartet.

Auch Erstwähler am Donnerstag in Düsseldorf

Die 20-jährige Sidal Erdoğan aus Duisburg durfte heute zum ersten Mal wählen und hat ihre Stimme der Opposition gegeben: "Es muss sich etwas ändern. Ich habe Familie drüben und sehe, wie sich die wirtschaftliche Lage verändert hat und es muss sich etwas tun."

Eigentlich sei sie auch dagegen, dass Menschen aus Deutschland für die Türkei wählen können: "Wir sind drei Wochen im Jahr dort und machen Urlaub, den Rest des Jahres sind wir in Deutschland. Eigentlich steht uns das nicht zu." Aber jetzt habe sie die Chance und wolle mit ihrer Stimme etwas ändern. "Es wird aber knapp", sagt sie.

Wahlzettel werden in die Türkei geflogen

Nevzat und Ulrike Saraç aus Heinsberg sind da anderer Meinung. Für sie ist klar: Es wird nicht knapp. "Erdoğan gewinnt, weil er gut ist. Hier werden Lügen über Erdoğan erzählt. Wir sind aber oft in der Türkei und erleben das anders. Er hat viel Gutes getan, Straßen und Krankenhäuser gebaut."

Nevzat und Ulrike Saraç im Porträt.

Nevzat und Ulrike Saraç sind aus Heinsberg angereist.

Am 14. Mai wissen wir, wer sich durchgesetzt hat. Dann finden die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei statt. Die Wahlzettel aus Düsseldorf werden vorher mit dem Flugzeug in die Türkei gebracht und am Abend mit ausgezählt.

Erdoğan schnitt in Deutschland besser ab als in der Türkei

Bei der letzten Wahl 2018 hatten rund 65 Prozent der Türkinnen und Türken in Deutschland für Erdoğan gestimmt, damit schnitt er hier besser ab als in der Türkei, wo er insgesamt 53 Prozent holte.

Kurz vor 12 Uhr treffen wir Onur Güler, er sagt, er sei Wahlbeobachter für eine kurdische Partei. Sein Fazit heute: "Bis jetzt ist alles gut!" So kann es morgen weiter gehen. An Tag zwei der Türkei-Wahl mitten in NRW.

Am 07. Mai veranstaltet der WDR eine Podiumsdiskussion zur Türkei-Wahl im Kölner Funkhaus am Wallrafplatz. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung unter integration@wdr.de wird gebeten. Die Diskussionsveranstaltung wird auch live auf WDR.de, auf den Social Media Kanälen von COSMO Türkçe übertragen und am 8. Mai um 21:00 Uhr bei WDR5 Spezial im Radio gesendet.