Gedenkgottesdienst in Solinger Stadtkirche | sv

00:31 Min. Verfügbar bis 25.08.2026

Trauerfeier nach Anschlag in Solingen

Stand: 25.08.2024, 14:56 Uhr

Vor der Stadtkirche in Solingen versammeln sich am frühen Sonntagvormittag Menschen. Eigentlich hätte hier heute anlässlich des Stadtfestes ein Gottesdienst der Vielfalt stattfinden sollen. Einen Gottesdienst gibt es - doch es ist eine Trauerfeier.

Von Portrait von Antonia RüllerAntonia Rüller

Nur wenige hundert Meter entfernt liegt der Ort, an dem drei Menschen am Freitag ihr Leben verloren haben. Die Trauernden stehen eng beieinander, stützen sich gegenseitig, schütteln fassungslos den Kopf. Die Erschütterung über den Anschlag ist in der ganzen Stadt spürbar. Ein großes Plakat mit der Frage "Warum" hängt an der Kirche, umgeben von zahlreichen Blumen und Kerzen.

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Tristan Spartmann ist Solinger und war am Freitag auf dem Fest

"Ich war auf dem Fest, ich habe plötzlich Menschen blutüberströmt weglaufen sehen. Weil ich angehender Arzt bin, bin ich hin, um zu helfen. Es ist traurig und es ist langsam zu viel los hier in Solingen.", erinnert sich Tristan Spartmann. Er legt einen Strauß weißer Rosen nieder.

"Ich habe am Freitag hier um die Ecke in der Kneipe gearbeitet. Ich kannte einen Verstorbenen, er war unser Stammgast. Ich war noch eifersüchtig, dass er jetzt aufs Fest gehen kann und ich arbeiten muss. Jetzt ist er tot", sagt eine Frau. Ihr laufen die Tränen über die Wangen.

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Über die Stadtgrenzen hinaus ist die Anteilnahme groß

Auch Menschen von außerhalb zeigen ihre Anteilnahme. Eine Familie aus Leverkusen hat sich auf den Weg nach Solingen gemacht. Die kleine Tochter im Kinderwagen hält eine Rose in der Hand. Der Vater sagt: "Es ist unfassbar. Es ist wichtig, dass wir hierher kommen. Es betrifft uns alle. Was muss in einem Menschen vorgehen, der so etwas tut?"

"Eigentlich wollten wir ein fröhliches Fest feiern"

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Hunderte Trauende nehmen Anteil

Währenddessen füllt sich die Stadtkirche. Um 10 Uhr beginnt das Orgelspiel mit dem Lied "Only Time" von Enya. Der Andrang ist groß, zusätzliche Stuhlreihen werden aufgebaut. Fünfzehn Seelsorger sind vor Ort und unterstützen die Trauernden.

Pfarrerin Friederike Höroldt beginnt mit den Worten "Eigentlich wollten wir ein fröhliches, buntes Fest feiern. Jetzt ist alles anders. Wir spüren in diesen Tagen unsere Hilflosigkeit und unsere Ohnmacht." Sie spricht den Menschen damit aus der Seele. Viele Tränen, schluchzen bei der schweige Minute. Und als der Chor "Prayer for the City" vom Chor gesungen wird, scheint die Sonne durch die bunten Fenster der Kirche.

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Seelsorgerin Simone Henn-Pausch kümmert sich um die Trauernden

"Das war doch ein Zeichen", sagt eine Frau laut nach dem Gottesdienst und hakt sich bei ihrem Mann ein. Mehrere hundert Besucher verlassen die Kirche. Andere bleiben zurück im Kirchencafé und holen sich Rat bei Seelsorger oder suchen noch ein wenig Stille. Simone Henn-Pausch kümmert sich als Seelsorgerin um die Menschen. "Es ist wichtig, dass wir jetzt da sind, denn wir werden gebraucht. Es gibt viele Betroffene die den Schock noch nicht verarbeitet haben. Einige haben Freunde und Familie verloren."

Wie geht es weiter für die Solinger?

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Emirhan Süer möchte ein Zeichen für Zusammenhalt setzen

Die Menschen suchten deswegen Zuflucht in der Normalität. Doch die Sorge, wie sich das Klima in der Stadt entwickeln könnte, bleibt, wie Emirhan Süer beschreibt: "Ich sehe migrantisch aus. Ich frage mich, ob sich die Blicke bald verändern", sagt er achselzuckend.

"Ich bin Solinger, meine Eltern kommen aus der Türkei. Ich bin geschockt. Und ich will ganz klar sagen, es gibt gute und es gibt schlechte Menschen in jedem Land. Ich finde das was passiert ist grausam und möchte meine Anteilnahme zeigen", fügt Emirhan Süer hinzu.

Beieinander stehen, Anteil nehmen und Verarbeiten was geschehen ist: Das ist das, was den Solingern jetzt bleibt.

Unsere Quellen:

  • Reporterin vor Ort