Klassenhelfer statt Schulbegleitung - Pilotprojekt im Kreis Düren

Lokalzeit aus Aachen 19.03.2025 07:22 Min. Verfügbar bis 20.03.2027

Eltern im Kreis Düren kämpfen für Integrationshilfen

Stand: 20.03.2025, 11:35 Uhr

Klassenassistenzen sollen Lehrer im Kreis Düren unterstützen. Um dieses Pilotprojekt namens MOSIK zu finanzieren,  sind vielen Kindern die Integrationshilfen gestrichen worden – also Schulbegleiter, die für jeweils ein Kind zuständig waren. Dagegen laufen Eltern jetzt Sturm.

Von Claudia Becker

Wenn Lucy Winter mittags vor der Sekundarschule Nideggen auf ihren Sohn Moritz wartet, ist sie in großer Sorge. Ist er ohne seinen Integratioshelfer heute klargekommen?

Eine Frau mit kurzen blonden Haaren umarmt ein Kind vor einer winterlich kahlen Hecke

Lucy Winter holt ihren Sohn von der Schule ab

"Mir ist jedes Mal sehr mulmig zumute, weil ich halt nicht weiß, was auf mich zukommt. Der Moritz hatte einen Integrationshelfer und seit Anfang Februar keinen mehr. Das besorgt mich sehr", sagt sie mit bangem Blick in Richtung Schule.

Tatsächlich wirkt der 12jährige auch an diesem Mittag niedergeschlagen. Moritz hat Lernschwierigkeiten. Deshalb wurde ihm schon ab der ersten Klasse ein Integrationshelfer bewilligt. Der hat ihn durch den Schulalltag begleitet.

"Ich kann mich nicht gut konzentrieren", erzählt er.

Mein Integrationshelfer hat immer neben mir im Unterricht gesessen, hat mir die Fragen erklärt und geholfen, wenn ich was nicht konnte. Moritz Winter, Schüler

Jetzt gibt es in seiner Klasse zwar einen Klassenassistenten - der sei aber für alle Schüler da und nicht nur für ihn. Das helfe ihm nicht wirklich, sagt er.

Lehrer brauchen Hilfe – sagt der Kreis Düren. Deshalb wurde das Pilotprojekt MosIK ins Leben gerufen: Klassenassistenzen sollen die Lehrkräfte im Unterricht unterstützen. Acht Schulen nehmen daran teil, auch die von Moritz. Das Problem: Um das zu finanzieren, wurden vielen Kindern die Integrationshilfen gestrichen. Auch die von Moritz.

Kreis Düren: Zu viele Integrationshelfer

Eine lächelnde Frau vor einem Bücherregal

Carmen Claßen (Klassenhelferin)

30 Kilometer entfernt in Jülich: Die Sekundarschule nimmt seit Februar am MosIK-Pilotprojekt teil. Carmen Claßen unterstützt seitdem die 5. Klasse als Klassenassistentin. Im Gegensatz zu den Fachlehrern verbringt sie den ganzen Schultag mit der Klasse, ist Ansprechpartnerin, löst Konflikte, tröstet, wenn nötig.

"Ich helfe den Kindern bei den Aufgaben, beim Stillsitzen. Manchmal ermahne ich sie leise zu sein und zuzuhören," erzählt sie. Oft löst die auch Konflikte zwischen den Schülern.

An der Sekundarschule Jülich haben die 5. und 6. Klassen jeweils einen Klassenassistenten. Und Schulleiterin Nadja Haupt ist froh darüber

Wir kämpfen mit dem Lehrermangel. Und wir haben auch Probleme mit dem Mangel an sozialen Kompetenzen der Kinder. Nadja Haupt, Schulleiterin aus Jülich

Als einen einen der Auslöser für die Defizite der Kinder sieht die Schulleiterin: Corona und die Lockdowns. Mit den Klassenassistenten will sie dieses Defizit ausgleichen.

Eine Frau mit blondem Bob-Haarschnitt steht vor der gelben Studio-Wand

Sybille Hausmann, Dezernentin des Kreises Düren

Außerdem – so Sybille Hausmann, Dezernentin des Kreises Düren – sei die Zahl der Integrationshelfer mittlerweile völlig aus dem Ruder gelaufen. 900 von ihnen seien inzwischen im Kreis im Einsatz gewesen. "Da haben teilweise vier oder fünf Erwachsene in den Klassen gesessen. Das ist nicht sinnvoll," sagt sie.

Mutter kämpft mit Anwalt für ihren Sohn

In Heimbach treffen wir Alexandra Rössner. Sie ist selbst Integrationshelferin, findet das MosIK-Projekt eigentlich gut. Aber: Ihr 14-jähriger Sohn Darius ist Autist. Deshalb hatte er seit dem Kindergarten einen eigenen Integrationshelfer.

Als ich telefonisch Ende Januar vom Kreis Düren darüber informiert wurde, dass Darius schon in zehn Tagen ohne seinen Integrationshelfer klarkommen muss, hab ich erstmal geheult. Da ist meine Welt zusammengebrochen. Alexandra Rössner, Mutter

Anwalt erringt Teilerfolg

Sie nimmt sich einen Anwalt und erringt zumindest einen Teilerfolg: Darius bekommt wieder Unterstützung durch einen Integrationshelfer - den muss er sich aber mit einem anderen Kind teilen. Ob das funktionieren wird, weiß sie noch nicht.

Ein Junge und eine Frau stehen vor einer Straße

Lucy Winter und Sohn Moritz

Zurück zu Lucy Winter. Sie will sich auch einen Anwalt nehmen. Auch sie will weiterkämpfen, damit Moritz die Hilfe bekommt, von der er sagt, dass er sie braucht.

Unsere Quellen:

  • Sybille Hausmann vom Kreis Düren
  • Nadja Haupt, Schulleiterin
  • Lucy Winter, betroffene Mutter
  • Alexandra Rössner, betroffene Mutter

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