Was Gastarbeiter aus der Türkei ihren Kindern hinterlassen haben
Stand: 24.04.2024, 17:44 Uhr
Mustafa Cözmez arbeitet bei Ford in Köln. Schon seit Vater hat hier gearbeitet; er war einer der vielen türkischen Gastarbeiter, die in den 1960ern und 1970ern nach Deutschland gekommen sind. Was hat ihn angetrieben? Was treibt seinen Sohn an?
Von Andreas Palik
Wenn Mustafa Cözmez durch die Montage-Halle von Ford in Köln läuft, begrüßt er jeden persönlich. Den einen Kollegen ruft er "Mahlzeit" zu, mit anderen unterhält er sich kurz auf türkisch: "Deutsch, türkisch, wir reden hier einen Mischmasch."
Mustafa Cözmez folgte seinem Vater 1980 nach Köln
Der 59-Jährige arbeitet bei Ford in zweiter Generation, seit 1998 als Betriebsrat. Dass er heute in Köln lebt und arbeitet, liegt an seinem Vater Süleyman Cözmez.
Reise nach Deutschland: "Ein Schritt aus der Armut"
Süleyman Cözmez stammt ursprünglich aus Ost-Anatolien. Über die Dorfvorsteher hat er erfahren, dass Deutschland nach Arbeitern sucht. Mit 27 Jahren machte er sich dann 1970 auf den Weg Istanbul. "Es war ein Schritt aus der Armut und aus der Perspektivlosigkeit." Vom Istanbuler Bahnhof Sirkeci ging es mit dem Zug weiter nach Köln.
Knapp 30 Jahre hat Süleyman Cözmez (hier 1988) bei Ford gearbeitet
Damit hat der heute 81-Jährige auf seinem Weg den geschichtsträchtigen Ort passiert, den mit ihm auch tausende andere Gastarbeiter durchreist haben. Noch heute, mehr als 50 Jahre nach Cözmez' Reise, ist auch hier klar, wie wichtig der Bahnhof für die deutsche Wirtschaft war. Deshalb hat Bundespräsident Steinmeier Sirkeci am Montag besucht.
Für Integration war keine Zeit
Süleyman Cözmez hat wie viele andere am Fließband gearbeitet. Lange hat er mit anderen Gastarbeitern in einem Wohnheim gelebt. Auch, wenn er enge Kontakte zu den Familien von deutschen Kollegen hatte, spricht Cözmez nicht gut deutsch. Für seinen Sohn ist das verständlich: "Es ist nicht leicht, mit wenig Bildung eine neue komplexe Sprache zu lernen." Seinem Vater und ihm tun Vorwürfe wegen fehlender Integration weh:
Die türkischen Gastarbeiter haben nicht nur zum Wohlstand von Deutschland beigetragen, sondern auch ihren Familien eine Perspektive gegeben. Auf die Frage, was von dem Gastarbeiter in seiner Familie noch übrig geblieben ist, antwortet er sofort: "Mut! Alle Menschen waren sehr, sehr mutig, erst mal den Schritt zu machen."
Drei Generationen bei Ford
Er sagt weiter: "Ich habe von ihm gelernt, die Fürsorgepflicht für die Familie zu tragen. Das habe ich mitgenommen, das habe ich auch umgesetzt. Ich muss aber sagen, dass ich auch Glück gehabt habe, dass ich und meine Kinder ihren Weg gemacht haben. Und darauf bin ich stolz."
Mustafa Cözmez (l.) am ehemaligen Arbeitsplatz seines Vaters
Sein Vater lebt noch immer in Köln. Wie er und Mustafa Cözmez arbeiten heute auch seine Söhne bei Ford in dritter Generation. Und führen damit nicht nur die Familiengeschichte fort, sondern auch ein wichtiges Stück der Geschichte türkischer Gastarbeiter in Köln.
Quellen:
- Reporter vor Ort
- Bundesregierung