CSD-Parade in Köln: Hitze, Regen und "normale" Bedrohungslage

Aktuelle Stunde 21.07.2024 42:07 Min. UT Verfügbar bis 21.07.2026 WDR Von Jochen Hilgers

Reportage zum CSD in Köln: "So dringend wie vor 50 Jahren!"

Stand: 21.07.2024, 20:23 Uhr

Am Sonntag ging der CSD in Köln mit einer großen Demoparade zu Ende. Die Teilnehmenden betonen: So wichtig wie 2024 war sie selten.

Von Martin Henning

Den ganzen Sonntagmorgen hat es geregnet. Doch kurz, nachdem sich die CSD-Demoparade um 11.35 Uhr auf der Deutzer Brücke in Bewegung setzt, bricht die Sonne durch den bewölkten Himmel. "Viva Colonia" dröhnt aus den Boxen und bringt die Demonstrierenden in Stimmung.

Roman und Dino stehen beim CSD in Köln

Roman (l.) und Dino: "Die Kölner Stimmung ist einfach anders"

Roman und Dino sind Teil einer Wohnmobilgruppe, die sich jedes Jahr am gleichen Punkt auf der Deutzer Brücke trifft. Roman nimmt zum 15. Mal an der CSD-Demo teil, Dino ist sogar schon das 20. Jahr dabei.

Sie haben sich einen Pavillon aufgebaut und jeder hat einen Bollerwagen mit Essen und Getränken mitgebracht.

"Wir bewegen uns gerade rückwärts"

Roman und Dino sind zwei der mehr als eine Million Besucher, die hier in Köln Flagge zeigen. "Es ist ein Zeichen, dass wir präsent sind in der Gesellschaft", sagt Roman. "Im Alltag verkleidet man sich, weil man nicht so sein kann, wie man möchte. Hier kann man sich ausleben."

Dass die Demo wichtig sei, betont auch Roman. "Wir als Gesellschaft bewegen uns gerade rückwärts. Die Stimmung ist brutaler und härter als in den 90ern", sagt er. "Ich gehe mit meinem Mann nicht mehr Händchen haltend durch die Stadt, denn ein blöder Spruch ist das Minimum, was man abbekommt."

CSD in Köln: Laut, bunt und mit Botschaft

90 Wagen, 250 Gruppen, 60.000 Teilnehmer eine Million erwartete Zuschauer - der Demozug zur CSD-Parade zog am Sonntag durch Köln.

Menschen feiern am Weg der CSD-Parade zwischen Deutzer Brücke und Heumarkt. Ein Wagen von NetCologne nimmt an der Parade teil.

Neben politischen Diskussionen und Kundgebungen der dreitägigen Veranstaltung ist die große Demo-Parade durch Köln der Höhepunkt.

Neben politischen Diskussionen und Kundgebungen der dreitägigen Veranstaltung ist die große Demo-Parade durch Köln der Höhepunkt.

Liebe und Vielfalt wird beim CSD gefeiert. Das Motto: "Für Menschenrechte. Viele. Gemeinsam. Stark."

Aus ganz Deutschland waren Zuschauer nach Köln gereist. Nach Angaben des Veranstalters kamen 1,4 Millionen Menschen zum Gucken, davon besuchten 1,2 Millionen die Parade.

90 bunt geschmückte Festwagen, aus denen Musik schallte und Teilnehmer winkten, fuhren bei der Parade mit.

So eine Parade ist eine coole Kulisse für Selfies.

Politprominenz auf der Parade: mitten drin auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbauch. Für ihn ist der CSD ein wichtiges Ereignis. "Die Rechte von queeren Menschen werden eingeschränkt, die Intoleranz nimmt zu", warnte der Politiker.

Auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sieht die Parade zum Christopher Street Day als Signal, "dass wir das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten erreicht worden ist, noch erweitern."

Viele Teilnehmer hatten ihrer Botschaften auf Plakate gedruckt.

Die ernsten politischen Anliegen der Demo werden auf der CSD-Parade mit ausgefallenen Kostümen ausgedrückt.

Überall sah man die Farben des Regenbogens ...

... auch in Flügelform...

... oder als Frisur.

Unter den Teilnehmern waren auch Bill und Tom Kaulitz von der Band Tokio Hotel, die am Vorabend noch ein Gratiskonzert in Köln gegeben hatten.

Rund 65.000 Teilnehmer zogen durch die Kölner Innenstadt.

Manch einer brachte seine ganze Familie mit.

Livemusik heizte den Zuschauern ein.

Beste Wünsche an die Teilnehmenden...

... und ein nettes Kompliment gab's gratis dazu.

In Sichtweite des Doms endete die Parade.

Katholische Kirche erstmals beim CSD vertreten

Und dennoch scheint es an Stellen Fortschritte zu geben, die man eher nicht erwartet hätte. 2024 nimmt erstmals die katholische Kirche am CSD teil. Am Mittwoch und Freitag hat sie unter dem Motto "God meets Gays" zwei Veranstaltungen organisiert und möchte damit Weltoffenheit demonstrieren. Das sorgte bei konservativen Christen für Unmut.

Lissy (r.), Noah und Kira sitzen beim CSD in Köln

Für Lissy (r.) ist es der erste CSD, Noah und Kira waren schon ein paar Mal da

Lissy ist für die Demo mit ihren Freunden Kira und Noah aus dem Westerwald angereist.

Sie sagt zu den Bemühungen der katholischen Kirche: "Man kann Veränderung nicht aufhalten und ich finde, man sollte das schon positiv wahrnehmen. Wenn die Religion für Menschenrechte steht, dann sollte man das auch nach außen zeigen."

Ein Mittelfinger für die Junge Union

Auf den Straßen ist die Stimmung am Sonntag gelöst. Männer mit "Pup Play"-Masken feiern friedlich neben älteren "Silver Gays" und Familien mit Kindern. Menschen aller Ethnien, Religionen und Altersgruppen sind nach Köln gekommen. Ein Zuschauer namens Simon freut sich, als aus einem Wagen spontan ein Geburtstagsständchen für ihn angestimmt wird.

Amanda hält ihr "Free Hugs"-Schild in der Hand

Amanda verteilt auf dem CSD kostenlose Umarmungen

Am Straßenrand verteilen die Cousinen Kristina und Amanda "Free Hugs", also kostenlose Umarmungen. Und natürlich werden ganz viele Laola-Wellen angestimmt.

Aber es wird auch politisch. Als der Wagen der Jungen Union über die Ringe fährt, hält eine Zuschauerin den Feiernden ihren Mittelfinger entgegen. Und abseits der Parade demonstriert eine Gruppe pro-palästinensischer Aktivisten gegen die Unterdrückung queerer Menschen in Israel. Das sorgt für Diskussionen.

So dringend wie vor 50 Jahren

Ares (r.) und Tedrakin in "Pup Play"-Masken beim CSD

Ares (r.) und Tedrakin tragen sogenannte "Pup Play"-Masken

CSD ohne Politik geht nicht, da sind sich sowohl die Veranstalter als auch die Teilnehmenden und Zuschauer einig. "Man darf nicht vergessen: Hier ist eine Demonstration angemeldet", sagt Ares, der mit Kumpel Tedrakin aus Karlsruhe angereist ist. "Das ist nicht der Kölner Karneval. Wir kämpfen hier für unsere Rechte."

Für seine Überzeugungen einzustehen, sei aktuell "sogar fast so dringend wie vor 50 Jahren", betont Ares. "Wenn wir uns Polen anschauen, wenn wir uns anschauen, was hier an rechten Bewegungen abgeht... es ist wichtig, dass hier etwas passiert und das es so groß ist." Er und mehr als eine Million andere Besucher der Demo mit 65.000 Teilnehmenden an der Parade haben am Sonntag ein Zeichen gesetzt.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 21.07.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.