an einer roten Wand steht: Are We the people?

Bundeskunsthalle Bonn: Ausstellung will "Muskeln der Demokratie" stärken

Stand: 29.05.2024, 18:16 Uhr

Unter dem Titel "Für alle! Demokratie neu erfinden" lässt die Bundeskunsthalle ihre Besucher am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Empathie zu zeigen, einen langen Atem zu haben oder Kompromisse auszuhandeln.

Von Sebastian Tittelbach

Ein kurzer Tastendruck, und der kleine Drucker, den man von der Supermarktkasse kennt, spuckt die ersten Artikel des Grundgesetzes auf einen langen Kassenzettel - zum Mitnehmen.
Die Ausstellung "Für alle! Demokratie neu gestalten" versucht auf vielfältige Weise, das trockene Thema Demokratie erlebbar zu machen.

Luftpumpen, Wippen und das Fitnessstudio Demokratie

Der Text des Grundgesetzes auf einem Kassenzettel gedruckt

Das Grundgesetz auf dem Kassenzettel - trockene Inhalte sollen lebendig werden.

Die Besucher können selbst ins Schwitzen kommen: Mit Luftpumpen müssen sie eine überlebensgroße "Göttin der Demokratie" aufblasen, sonst fällt sie in sich zusammen. Auf Wippen üben sie das gemeinsame Balancieren, im "Fitnessstudio Demokratie" trainieren sie demokratische Muskeln wie Zuhören, andere Meinungen aushalten und Mitgefühl.
Für Kuratorin Johanna Adam ist das eine entscheidende Botschaft: "Wir sollten uns nicht als Kunden der Demokratie verstehen, sondern als ihre Betreiber. Demokrat sein heißt nicht, nur alle vier Jahre zur Wahl zu gehen."

"Demokrat sein heißt nicht, nur alle vier Jahre zur Wahl zu gehen." Kuratorin Johanna Adam

Künstler haben mehr Freiheiten als Politiker

Zwei Luftpumpen sind mit Schläuchen an einer weißen Freiheitsstatue verbunden

Damit der Götting Demokratie nicht die Luft ausgeht: Pumpen machen das erfahrbar.

Die Bonner Ausstellung gliedert sich in zwei Themenbereiche: Der erste beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie unsere und andere Demokratien gestaltet sind, der zweite mit möglichen Updates. Künstler haben dabei mehr Freiheiten als Politiker, ist die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus, überzeugt: "Es gibt schöne Alternativen, gute Ideen und Gründe zu schauen, wo das System funktioniert und wo nicht. Die Politik ist da eher zurückhaltend."
Es gibt Historisches: Gleich am Eingang steht ein wilder Stapel alter Stühle. Das Kunstwerk heißt "Sturzlage", es erinnert an die Runden Tische, an denen Bürgerrechtler kurz nach dem Zusammenbruch der DDR über die demokratische Zukunft des Staates berieten.
Und ein neuer "Runder Tisch" steht mitten in den Ausstellungsräumen, die Besucher müssen sich darüber verständigen, was sie dort tun.

Bürgerräte nahmen demokratisch Einfluss auf die Ausstellung 

Auch in die Ausstellung selbst sind demokratische Prozesse eingeflossen: Die Bundeskunsthalle und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben im vergangenen Jahr gemeinsam zwei Bürgerräte einberufen. Aus zufällig angeschriebenen Personen wurden 64 ausgewählt, um Vorschläge zu machen, wie Kulturinstitutionen offener, einladender und integrativer werden können. So gibt es ein Leitsystem und Audiobeschreibungen für sehbehinderte Menschen, außerdem sind viele Texte in Leichter Sprache verfasst.

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 13. Oktober in der Bundeskunsthalle Bonn.

Unsere Quellen:

  • Bundeskunsthalle Bonn
  • Johanna Adam, Kuratorin
  • Reporter vor Ort

Über dieses Thema berichtet der WDR am 29.05.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit aus Bonn und im Radio auf WDR 2.