Kinder, Kita

Starker Anstieg von Gewalttaten in Kitas

Stand: 02.01.2025, 17:28 Uhr

Kitas in NRW melden deutlich mehr Gewalttaten. Die Frage ist aber: Gibt es wirklich mehr Gewalt? Oder wird sie besser erfasst?

Von Thomas DrescherThomas Drescher

Nach neuen Zahlen aus dem NRW-Familienministerium werden von den Kitas in NRW deutlich mehr Gewalttaten als früher gemeldet. Für das Jahr 2024 zeichnet sich ein trauriger Rekord ab, eine Gesamtzahl liegt noch nicht vor.

Die meisten der registrierten Gewaltakte werden von Kindern an anderen Kindern verübt. Es gibt aber auch, in geringerem Maße, Gewalt durch Kitapersonal, darunter auch sexuelle Gewalt. In die Statistik fließt auch "pädagogisches Fehlverhalten" ein.

Kinder öfter als Täter

Bereits im Jahr 2023 hatte sich die Gesamtzahl gemeldeter Übergriffe mit 1.943 nahezu verdoppelt (2022: 1.027). Im ersten Halbjahr 2024 registrierten die beiden Landesjugendämter insgesamt 1.206 "Aufdeckungen von Kindeswohlgefährdungen", wie aus einer Antwort des Familienministeriums auf eine kleine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag hervorgeht.

Besonders deutlich zeigt sich der Anstieg bei der Gewalt von Kindern an Kindern: Wurden 2022 noch 267 Fälle gemeldet, so waren es 2023 schon 750 Fälle. Allein im ersten Halbjahr 2024 gingen 532 Meldungen ein, doppelt so viele wie im ganzen Jahr 2022.

Ist Überforderung des Personals der Nährboden für Übergriffe?

Die SPD-Landtagsabgeordnete Nina Andriehsen weist auf zwei Seiten der Statistik hin. "Wir sehen darin, dass Übergriffe, grenzverletzendes und grenzüberschreitendes Verhalten gegen Kinder vermehrt angezeigt werden. Menschen wissen also auf der einen Seite, dass das gezeigte Verhalten falsch ist und reagiert werden muss." Damit könne man sagen, dass die Konzepte offenbar wirken.

Andererseits, so Andriehsen, müsse man fragen, ob die Übergriffe mit der Überforderung des Personals zusammenhängen. "Sehen wir uns die aktuelle Kita-Politik an und gehen davon aus, dass Überforderung ein Nährboden für Übergriffe ist, dann bewegen sich die Bemühungen von Ministerin Paul in eine fatale Richtung. Denn aktuell überlassen wir die Aufsicht über mehr Kinder immer weniger Fachkräften." Das dürfe auf keinen Fall so sein, sagte Andriehsen.

Um den Personalnotstand vieler Kitas zu lindern, hatte Familienministerin Josefine Paul (Grüne) Anfang Dezember die Vorgaben für das Personal in Kindertagesstätten per Verordnung gelockert und damit unter bestimmten Voraussetzungen den Einsatz sogenannter "Ergänzungskräfte" zugelassen.

Mehr entdeckte Fälle?

Jede Situation, in der ein Kind Gewalt erfährt, sei eine zuviel, sagte Familienministerin Paul in einer Stellungnahme. Die erhöhte Zahl gemeldeter Fälle von Gewalt zeige, eine erhöhte Sensibilität in Politik und Gesellschaft. "Die Zahlen sind also auch ein Beleg dafür, dass mehr Fälle ins Hellfeld rücken und nicht mehr unentdeckt bleiben", so Paul.

Insgesamt gibt es in NRW mehr als 10.000 Kindertagesstätten. Seit einigen Jahren sind sie verpflichtet, besondere Vorkommnisse über ein Onlineportal zu melden.

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