Benzinpreise-Anzeigetafel

Bundeskartellamt: Digitalkonzerne und Ölmultis im Visier

Stand: 30.08.2022, 17:15 Uhr

Hohe Preise für Energie und Lebensmittel belasten die Haushalte. Das Bundeskartellamt beobachtet die Entwicklung mit Sorge, kann aber oft nicht eingreifen. Am 01.09. läuft der Tankrabatt aus und die Benzinpreise steigen schon, wie die Bonner Behörde beobachtet.

Von Sebastian Tittelbach

Bundeskartellamtschef Andreas Mundt kann die Aufregung an den Zapfsäulen gut nachvollziehen. Die Benzinpreise haben in den vergangenen Wochen schon angezogen, wie die Markttransparenzstelle der Bonner Behörde beobachtet, am Donnerstag (01.09.) läuft außerdem der Tankrabatt aus. Spätestens dann dürften die Rufe nach dem Bundeskartellamt wieder lauter werden. Trotzdem muss Kartellamtschef Mundt die Erwartungen bremsen: Hohe Preise allein seien noch kein Gesetzesverstoß, man müsse eine Differenzierung vornehmen: "Was ist gerechtfertigt aufgrund objektiver Umstände, und was ist möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass es nur sehr wenige Unternehmen sind, die alle vom Bohrloch bis zur Tankstelle aktiv sind?" 

Teurer Treibstofftransport?

Bundeskartellamtschef Andreas Mundt

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes

Die Mineralölkonzerne begründen die gestiegenen Preise unter anderem mit dem niedrigen Rheinpegel, der den Transport verteuert, mit Ausfällen in Raffinerien und der gestiegenen Nachfrage. Mit solchen pauschalen Argumenten allein wollen sich die Kartellwächter aber nicht zufrieden geben. Gerade untersucht die Bonner Behörde gezielt das Geschäft der Raffinerien. Diese sogenannte Sektorenuntersuchung werde für Eindruck in der Branche sorgen, ist sich Mundt sicher, schließlich könne seine Behörde Bußgelder in Höhe von zehn Prozent des weltweiten Umsatzes verhängen. Gleichzeitig rät Behördenchef Mundt Verbrauchern, die Kraftstoffpreise mit Hilfe von Apps zu vergleichen, um dort zu tanken, wo es gerade günstig ist. 

Nur wenige Durchsuchungen wegen Corona-Pandemie 

Im vergangenen Jahr hat die Corona-Pandemie die Arbeit der Kartellwächter deutlich eingeschränkt. Wegen der Hygiene-Maßnahmen waren nur zwei Durchsuchungen möglich und die Kartelljäger fanden nicht immer das, was sie suchten, weil viele Mitarbeiter der betroffenen Firmen im Homeoffice waren: "Früher sind wir in die Unternehmen gegangen, wir haben uns die Laptops, die Tischkalender und die Aktenordner von denen angesehen, die da waren. Heute ist überhaupt keiner mehr da." 

2021 Bußgelder in Höhe von 105 Millionen Euro verhängt 

Einige Bußgelder konnte die Behörde dennoch verhängen. Sie betrafen die Edelstahlherstellung und Stahlschmieden, geahndet wurden außerdem Preisabsprachen bei Musikinstrumenten, Schulranzen und Unterhaltungselektronik. 2021 kamen so 105 Millionen Euro zusammen, ein Jahr zuvor waren es noch 349 Millionen Euro. Inzwischen hat die Kartellverfolgung wieder Fahrt aufgenommen, 2022 hat es bereits 13 Durchsuchungsaktionen gegeben. Das Ziel solcher Bußgeldverfahren ist, dass die Verbraucher tatsächliche Marktpreise bezahlen und nicht durch Preisabsprachen der Unternehmen tiefer in die Tasche greifen müssen als nötig.

Wegen der Pandemie und auch wegen des Kriegs gegen die Ukraine ist das Bundeskartellamt etwas nachsichtiger bei Kooperationen zwischen Firmen geworden. Derzeit etwa bei der Beschaffung von Gas; Namen nennt die Behörde nicht.

Verfahren gegen Branchengrößen wie Amazon, Alphabet, Apple und Meta

Im Fokus stehen aktuell die Digitalkonzerne. Behördenchef Andreas Mundt lobt dabei die Zusammenarbeit mit den europäischen Kollegen. Mehrere Verfahren gegen Branchengrößen wie Amazon, Alphabet (Google), Apple und Meta (Facebook) seien eingeleitet, zum Teil auch schon abgeschlossen. Das besondere sei, dass diese Unternehmen für ihre Wettbewerber die Regeln setzen. "Das haben wir in der normalen Wirtschaft eigentlich nicht", sagt Mundt, "und wenn diese Unternehmen auch nur einen Algorithmus verändern, dann haben so manche Wettbewerber am nächsten Tag ein Problem. Deswegen beschäftigen wir uns so intensiv mit ihnen."

Mit Sorge blickt der Präsident des Bundeskartellamts auf den anstehenden Winter. Die Gas- und Strompreise sind sprunghaft gestiegen, auch die Betreiber von Windkraftanlagen verdienen daran gerade kräftig mit. Auch diese Preissteigerungen würden Verbraucher hart treffen, allerdings könnten sie ohne kartellrechtliche Bedeutung sein und damit ein Fall für die Politik und nicht die Bonner Behörde.

Über dieses Thema berichten wir am 30. August 2022 im WDR 5: Profit, 18:30 Uhr.

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