Re:publica: Digitalisierung der Verwaltung kommt nur schleppend voran

Stand: 07.06.2023, 18:14 Uhr

Auf der re:publica in Berlin wurde auch über die schleppende Digitalisierung der deutschen Verwaltung debattiert. Immer noch können Bürger nur wenige Amtsgänge online erledigen. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb über die Hintergründe – und mögliche Lösungen.

Vor einem Jahr hat Bundeskanzler Olaf Scholz auf der großen Hauptbühne der re:publica in Berlin für alle hörbar Besserung versprochen: Behörden und Verwaltung sollten umgehend und umfassend digitalisiert werden. Eine solche Message kommt gut an auf dem größten Festival für Digitalisierung in Europa. Auch dieses Jahr wurden auf der heute zu Ende gehenden Re:publica wieder über eGovernment diskutiert.

Auch Unternehmen setzen noch Fax ein

Dabei sind es keineswegs nur die Behörden, die sich mit der Digitalisierung schwertun. Laut einer Studie, die der Branchenverband Bitkom kürzlich durchgeführt hat, setzen immerhin noch 82 Prozent der deutschen Unternehmen auf das gute alte Fax. Zwar nicht mehr so regelmäßig wie früher, aber doch immer wieder. Gelobt wird daran die Verlässlichkeit. In Behörden sieht es nicht besser, sondern eher schlechter aus.

Dabei gibt es ein "Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen" (OZG), das Bund und Länder verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch anzubieten. Eigentlich bereits bis Ende 2022. Geklappt hat das nicht.

Markus Beckedahl, Gründer der re:publica, zieht dann auch eine vernichtende Bilanz: "Wir haben alle noch keine eGoverment-Anwendungen in der breiten Laufbahn gesehen. Und wir wundern uns, warum andere Staaten das hinbekommen."

Besserung sieht Beckedahl, wenn überhaupt, nur sehr allmählich kommen. Ein Problem sei der Föderalismus – und damit die unterschiedlichen Zuständigkeiten. "Wir werden uns am Ende fragen, warum andere Staaten das eine Generation vor uns geschafft haben."

Forderung: "Regierung muss Plattform bauen"

Es gibt zu viel Verwirrung und es wird nicht genug Tempo gemacht, sagt auch Philip Banse. Der Mann ist kritischer Beobachter der Regierungsarbeit und macht den nicht nur in Berlin gern und viel gehörten wöchentlichen Podcast "Lage der Nation": Seiner Ansicht nach fehlt es erkennbar am entschlossenen Willen und vor allem an klaren Ansagen durch die Regierung.

"Der Bund müsste klar kommunizieren: Das sind die ganzen Dienste, die unser Staat anbietet. Das sind die technischen Grundlagen, wie das gemacht wird. Und wie das am Ende dann in der Software oder auf dem Computer aussieht, ist uns egal. Hauptsache, diese Standards sind erfüllt."

Die Idee ist also, eine Plattform zu schaffen – so wie es auch große Konzerne machen. Mit vertrauenswürdigen Diensten, klaren Strukturen und funktionierender Technologie. Auf diese Dienste könnten dann Behörden aus Bund, Ländern und Kommunen zugreifen. Aber das habe eben bislang niemand gemacht, sagt Banse empört – und auch ein wenig frustriert. Stattdessen verlieren sich Bund, Länder und Kommunen immer wieder im Kleinklein.

Onlineausweis

Online ausweisen und alles online erledigen: Was in anderen Ländern längst üblich ist, funktioniert in Deutschland nicht

Zu wenig IT-Expertise in den Behörden

Doch selbst, wenn deutsche Behörden Digitalisierung anwenden, läuft es nicht rund. Immer wieder kommt es zu Sicherheitsproblemen, wie zuletzt im Schulministerium NRW. Das, was digitalisiert wird, ist oft schlecht gemacht – und fehleranfällig, beklagt Lilith Wittmann. Die IT-Sicherheitsexpertin hat zuletzt die Sicherheitsprobleme auf den Servern des NRW-Ministeriums entdeckt und öffentlich gemacht.

Onlinezugangsgesetz (OZG)

Das "Online Zugangsgesetz" regelt klar: Behördengänge sollen online möglich sein – nur ist bislang nicht viel passiert

"Wir haben nicht konzeptionell vorgesehen, dass Menschen mit Fachkompetenz im IT-Bereich in der Verwaltung arbeiten", beklagt sie. In der Verwaltung arbeiteten Generalisten. Wittmann weiter: "Dann stellt man einen Server hin. Der steht dann da zehn Jahre und niemand weiß, wie man sich um den kümmert. Das ist kein Einzelfall. Das sehen wir wieder und wieder und wieder..."

Ziel muss also sein: Es braucht einen Plan – und den entschlossenen Willen. Der Bund muss die Vorgaben machen, mit klaren Ansagen. In Verwaltung und Behörden braucht es fachkundige IT-Experten. Dann könnte es auch klappen mit der Digitalisierung der Verwaltung. Andere Länder haben es schließlich auch geschafft.

Über den Autor

Jörg Schieb, WDR-Digitalexperte.

WDR-Digitalexperte Jörg Schieb

Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.

Weitere Themen