Die Rockband Rammstein hat am Mittwochabend das erste Deutschland-Konzert ihrer aktuellen Europatournee vor einem vollen Münchener Olympiastadion gespielt. Trotz der Vorwürfe gegen Frontman Till Lindemann ließen sich die meisten Fans das Konzert nicht entgehen.
Die Band selbst äußerte sich bei ihrem Auftritt vor Zehntausenden Zuschauerinnen und Zuschauern nicht zu den bestehenden Vorwürfen. Sänger Lindemann gab sich zwischen den Songs wie gewohnt wortkarg. Das Publikum verabschiedete er mit den Worten: "München, danke, dass ihr hier seid. Danke, dass ihr bei uns seid." Anders als bei anderen Konzerten verzichtete die Band jedoch auf das Lied "Pussy", zu dem Lindemann sonst das Publikum seit Jahren mit einer riesigen, penis-förmigen Schaumkanone bespritzte. Und: Anders als angekündigt gingen die Fans nicht auf die Knie, um ihre Solidarität mit der Band zu bekunden - das tat nur die Band selbst auf der Bühne.
Lindemann weist Vorwürfe teilweise zurück
Lindemann hat inzwischen Anwälte eingeschaltet. Am Donnerstag veröffentlichten die Berliner Rechtsanwälte Simon Bergmann und Christian Schertz eine Presseerklärung zu den Vorwürfen. "In den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Instagram, Twitter und bei YouTube, wurden von diversen Frauen schwerwiegende Vorwürfe zulasten unseres Mandanten erhoben", heißt es in der Mitteilung. "So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.-o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr."
Die Anwälte kündigten juristische Konsequenzen an. "Wir werden wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten."
Vorwürfe an Medien - DJV weist Kritik zurück
Außerdem wirft die Kanzlei Medien in dem Zusammenhang mit den schweren Vorwürfen "unzulässige Verdachtsberichterstattung" vor. Es sei zudem gegen die Vorgabe verstoßen worden, "ausgewogen und objektiv" zu berichten. Es habe eine "nachhaltige Vorverurteilung" zulasten Lindemanns gegeben, auch dagegen werde man "umgehend rechtlich vorgehen".
Der Deutsche Journalisten-Verband DJV kritisiert diese Reaktion. Die Kanzlei wolle damit Medien einschüchtern, die über die Vorwürfe gegen Lindemann berichten und recherchieren. Auch Daniel Drepper, Leiter der Recherche-Kooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, bezeichnete das Vorgehen der Kanzlei als "problematisch". "Wir wissen, wie Verdachtsberichterstattung geht", so Drepper. "Wir haben vorher sauber gearbeitet, arbeiten jetzt sauber und recherchieren weiter."
Konsequenzen für das Konzert
Für das Münchner Konzert gab es aufgrund der Vorwürfe bereits Konsequenzen. Die sogenannte "Row Zero", eine Fan-Reihe im Sicherheitsbereich unmittelbar vor der Bühne, wurde verboten. Das Konzept für die Aftershowpartys sei ebenfalls geändert, hieß es im Umfeld der Berliner Band, die sich öffentlich von den Vorwürfen distanzierte. Manche Konzertbesucher stimmt das zumindest nachdenklich.
Rund 60 Menschen protestierten aufgrund der Vorwürfe vor dem Konzert gegen den Auftritt der Band und forderten ankommende Fans zum Boykott der Band und des Konzerts auf. Die Polizei musste einzelne aggressiv auftretende Rammstein-Anhänger von den Protestierenden fernhalten. Nach Angaben eines Sprechers der Polizei verlief die Versammlung jedoch ohne größere Zwischenfälle.
Die meisten Fans bleiben der Band treu
Die meisten Fans stehen weiterhin hinter der Band. Eine Konzertbesucherin fragte nach "Beweisen" für die Vorfälle. Außerdem sagte sie: "Wenn man das glauben will, kann man das gerne tun. Ich persönlich würde das nicht machen. Ich mag die Musik, ich gehe zum Konzert (...). Ich würde meine Karte dafür nicht abgeben." Andere Aussagen haben einen erkennbaren Bezug zu der Stellungnahme, die die Band am Samstag veröffentlichte: "Es gibt in Deutschland eine Unschuldsvermutung. Das gilt für beide. Wir freuen uns heute Abend einfach aufs Konzert."
Eine ähnliche Einstellung zu den Vorwürfen hatten die meisten Konzertbesucher am Mittwoch. Viele Rammstein Fan-T-Shirts waren zu sehen - ausgelassen feiernde Menschen prägten die Bilder des Abends. Für die meisten steht offensichtlich die Musik im Vordergrund, sie bleiben weiterhin Fan der Band und glauben den Vorwürfen nicht - zumindest solange noch nichts bewiesen ist.
Hintergründe zu den Vorfällen
Die Frauen, die Vorwürfe erheben, schildern Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershow-Party kommen wollen. Dort soll es auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Zuvor seien sie aus einem Bereich ganz vorn im Zuschauerraum ausgewählt worden - der sogenannten "Row Zero", der Reihe Null.
In einer Stellungnahme von Rammstein hieß es, die Vorwürfe hätte die Bandmitglieder sehr getroffen und man nehme sie außerordentlich ernst. "Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass Ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt - vor und hinter der Bühne." Weiter hieß es in dem Schreiben vom Samstagabend: "Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge." Auch die Band habe aber ein Recht - nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden.