In Münster ist ein 15-jähriger Junge gestorben. Es steht der Verdacht im Raum, dass der Grund für seinen frühen Tod eine Scharlach-Erkrankung war. Kinderärzte zeigen sich nun beunruhigt. Denn aktuell gibt es eine Scharlach-Welle. Gleichzeitig fehlt es immer noch an Medikamenten wie Antibiotika.
Viele Kolleginnen und Kollegen seien verunsichert, aber auch empört über den Mangel an Medikamenten, so der Sprecher des Kinderärzte-Netzwerkes in Münster, Pedro Garcia: "Die Betroffenheit unter den Kinderärzten ist riesig."
So erkennt man Scharlach bei Kindern
Erste Symptome zeigen sich ein bis drei Tage nach der Ansteckung. Typisch sind Halsschmerzen mit Schluckbeschwerden, hohes Fieber, Schüttelfrost und Unwohlsein. Die Lymphknoten am Hals können stark geschwollen sein. Besonders kleine Kinder leiden auch unter Bauchschmerzen und Erbrechen. Weitere charakteristische Symptome für Scharlach - wie etwa die "Himbeerzunge" - finden sich hier auf der Grafik.
Die Symptome: Gerötete Wangen, himbeerfarbene Zunge, roter Rachen und Gaumen, nicht juckender Hautausschlag am ganzen Körper
Auf dem Körper entwickelt sich meist ab dem zweiten Tag ein nicht oder kaum juckender Hautausschlag aus vielen kleinen erst rosa, dann roten Punkten mit rauer Oberfläche, die sich wie Sandpapier anfühlt. Die Flecken können sich innerhalb weniger Tage von der Körpermitte auf den Hals bis zu den Händen und Füßen ausbreiten.
Das Mund-Kinn-Dreieck, die Handinnenflächen und Fußsohlen bleiben dabei typischerweise ausgespart. Besonders deutlich ist der Ausschlag oft in der Leistengegend und im Bereich der Achseln zu sehen. Nach ungefähr einer Woche verblassen die Pünktchen wieder.
Welche Folgen kann Scharlach haben?
Scharlach gilt als klassische Kinderkrankheit, kann aber auch Erwachsene treffen. Eine Infektion ist mehrfach möglich. Bleibt Scharlach unbehandelt, kann es zu einer ganzen Reihe von schweren Komplikationen und Spätfolgen kommen. Dazu zählen beispielsweise Gelenkbeschwerden, Lungenentzündungen, Herzmuskelentzündungen, Nierenschäden, Hirnhautentzündungen oder rheumatisches Fieber. Unbehandelt heißt: Es werden keine oder nicht ausreichend Antibiotika eingenommen.
Wieviele Menschen sind erkrankt?
Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen (Scharlach-Erkrankung) sind in Deutschland gemäß Infektionsschutzgesetz generell nicht meldepflichtig. Daher liegen nur begrenzt Daten zu Erkrankungen vor. Das Robert Koch-Institut meldete jedoch bereits im letzten Quartal 2022 einen ungewöhnlich hohen Anstieg bei Krankheiten wie Scharlach. Auch die WHO warnte vor einer Scharlach-Welle in Europa.
Eine Zunahme von Scharlach wird in allen Altersgruppen beobachtet. Die Gesamtzahl der Erregernachweise für 2022 liegt jedoch noch unter dem Niveau der präpandemischen Jahre 2017 bis 2019. Hierbei handelt es sich um eine Auswertung auf Bundesebene, für NRW liegen keine zusätzlichen Informationen vor.
Sind Antibiotika denn Mangelware?
Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte werden aktuell kontinuierlich Antibiotika geliefert. Allerdings gibt es auch einen hohen Bedarf. Ende Januar bestanden daher bei den antibiotischen Kinderarzneimitteln Lieferengpässe für 14 Wirkstoffe. Zwar können Kinder- und Jugendärzte auf andere Antibiotika ausweichen, teilweise wirken diese allerdings nicht so schnell und nicht so gut. Ein genereller Versorgungsengpass bei Antibiotika, der zu einer Unterversorgung führen könnte, ist dem Bundesinstitut nicht bekannt.
Laut dem Bundesinstitut würden die Engpässe noch im ersten Quartal 2023 anhalten. Der Apothekerverband Nordrhein ist nicht ganz so optimistisch: Dort rechnet man damit, dass der generelle Medikamenten-Mangel noch 2023 anhält. Aktuell sei fast jedes zweite Rezept von Lieferengpässen betroffen. Das hätte eine kurzfristige Umfrage unter 400 Apotheken ergeben, teilte der Verband am Montag mit.
Was sind die Ursachen für den Mangel?
Durch gestörte Lieferketten kommt es zu Engpässen. Deutschland hatte sich von wenigen Betrieben in Fernost abhängig gemacht, wo billig produziert wird. Antibiotika etwa werden in Indien und China hergestellt. Daher werden nun auch Stimmen laut, die Produktion aus dem Ausland zurückzuholen. Dagegen steht allerdings, dass die Fertigung möglicherweise nicht wettbewerbsfähig wäre und dauerhaft subventioniert werden müsste.
Aus Sicht des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist die Knappheit aber auch teilweise darauf zurückzuführen, dass manche Apotheken und Großhändler zu viel Vorrat anlegen - und die Arzneien dann andernorts fehlen. Es gebe also auch eine Verteilproblematik.
Wie wirken Antibiotika überhaupt genau?
Antibiotika sind wirksam bei Infektionen, die durch Bakterien verursacht werden. Sie unterstützen das Abwehrsystem des Körpers bei der Bekämpfung dieser Bakterien, indem sie die Erreger abtöten oder sie in ihrem Wachstum hemmen.
Erkrankungen, die ebenfalls mit Antibiotika behandelt werden, sind zum Beispiel Mandelentzündungen, Lungenentzündungen, Hirnhautentzündungen oder Blasenentzündungen. Gegen Erkältungskrankheiten und Grippe, die durch Viren hervorgerufen werden, sind Antibiotika dagegen wirkungslos.
Kann man abgelaufene Medikamente einnehmen?
Der Apothekenverband Nordrhein rät dringend davon ab, abgelaufene Medikamente zu nutzen. Denn man wisse nicht genau, was passiert, wenn man Arzneimittel über das Verwendbarkeitsdatum hinaus einnimmt.
Auch von Nachbarn oder Freunden sollte man keine verschreibungspflichtigen Medikamente annehmen, auch, wenn diese noch haltbar sind. Ärztliche Verordnungen seien von Laien nicht optimal interpretierbar, so der Verband. Auch das Fachpersonal müsste immer genau hinschauen.