Masern-Impfpflicht: Was das Urteil für Eltern und Kinder bedeutet

Stand: 18.08.2022, 12:31 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag Verfassungsbeschwerden gegen die Masern-Impfpflicht für Kinder zurückgewiesen. Was sind die Konsequenzen, auch im Hinblick auf Corona?

Rund zweieinhalb Jahre nach Einführung der Masern-Impfpflicht hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag über die Klagen mehrerer Eltern entschieden. Die Kläger lehnten das Gesetz als einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder und als eine Beschränkung ihres Erziehungsrechts ab. Die Richter sahen das nicht so: Die Impfpflicht bleibt bestehen.

Wie hat das Verfassungsgericht seine Entscheidung begründet? Was bedeutet das Urteil konkret? Fragen und Antworten.

Wie begründen die Richter ihr Urteil?

Die Karlsruher Richter erklärten, dass die Impfpflicht zwar tatsächlich einen Eingriff in das Erziehungsrecht und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit darstelle. Aber gleichzeitig müsse man die Interessen jener Menschen beachten, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst impfen lassen können. Das betrifft zum Beispiel immungeschwächte Personen, für die eine Masern-Infektion lebensgefährlich sein kann.

"Angesichts der sehr hohen Ansteckungsgefahr bei Masern und den (…) verbundenen Risiken eines schweren Verlaufs besteht eine beträchtliche Gefährdung (…) Dritter", heißt es in der Begründung. Deshalb sei der Eingriff in die Grundrechte der Eltern und der Kinder in diesem Fall verhältnismäßig.

Der derzeit zur Verfügung stehende Impfstoff besteht aus einer Kombination gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Die Verfassungsrichter betonten, dass keine weiteren Komponenten hinzukommen dürfen.

Könnte das Urteil auch auf eine Corona-Impfpflicht angewendet werden?

Ganz abgesehen davon, dass eine allgemeine Corona-Impfpflicht zurzeit nicht zur Debatte steht: höchstwahrscheinlich nicht. Denn es gibt wichtige Unterschiede zwischen den beiden Impfungen. Eine vollständige Masern-Impfung verhindert in bis zu 95 Prozent der Fälle wirksam Infektionen und damit auch eine Ansteckung anderer - in der Regel schützt sie ein Leben lang. Das leisten die derzeit erhältlichen Corona-Impfstoffe nicht: Sie bieten zwar einen recht guten Schutz vor schweren Erkrankungen, aber nicht vor Infektionen.

Falls in der Zukunft neue und verbesserte Corona-Impfstoffe auf den Markt kommen, deren Schutzwirkung ebenso gut ist wie die Masern-Impfung, dann könnte das Thema allerdings wieder auf die Tagesordnung kommen.

Was bedeutet das Urteil für bisher ungeimpfte Kinder?

Jetzt sollten sich Eltern möglichst schnell bei ihrem Kinderarzt melden und sich um eine Beratung und einen Impftermin bemühen. Bereits seit dem 1. März 2020 gilt: Eltern von Kindern, die mindestens ein Jahr alt sind, müssen bei der Aufnahme in eine Kita oder Schule per Impfausweis nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft sind. Ausnahme: Bei Kindern, die bereits eine Infektion überstanden haben, reicht ein ärztliches Attest. Kinder und Jugendliche, die schon länger eine Einrichtung besuchen, mussten bis zum 31. Juli Impfausweise oder Atteste vorlegen.

Sollten sich Eltern weiterhin weigern, ihr Kind impfen zu lassen, kann das schwere Konsequenzen nach sich ziehen: Im schlimmsten Fall können Kinder vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden. An Schulen geht dies wegen der Schulpflicht nicht. Allerdings müssen Eltern in diesem Fall mit hohen Bußgeldern rechnen: bis zu 2.500 Euro.

Sind Masern wirklich so harmlos, wie oft behauptet wird?

Junge mit Masern-Ausschlag schaut in Kamera.

Kein Spaß: Masern-Ausschlag

Nein. Die Infektion kann zahlreiche Komplikationen hervorrufen, zum Beispiel Lungenentzündungen. Besonders gefürchtet ist die sogenannte Masern-Gehirnentzündung, die bei etwa einer von 1.000 Erkrankungen auftritt. Diese kann sogar tödlich enden. Hinzu kommen weitere, recht seltene Krankheiten, die entweder mit oder in der Folge einer Masern-Infektion auftreten können. Besonders gefährdet durch Komplikationen sind Kleinkinder und Erwachsene über 20.

Ist die Masern-Impfung wirklich sicher?

Nach allem was man weiß: ja. Zwar ist das Internet voll mit Beiträgen, die vor angeblich unkalkulierbaren Risiken einer Masern-Impfung warnen: Demnach löst der Impfstoff Krankheiten wie Autismus, Diabetes oder Multiple Sklerose aus. Das ist allerdings nicht bewiesen. Im Gegenteil: Die allermeisten Studien zum Thema kommen zu dem Schluss, dass es keinen Zusammenhang zwischen einer Immunierung und dem Ausbruch dieser Krankheiten gibt.

Die Theorie von der Erkrankung durch Impfung stammt aus den 1990er-Jahren und wird seitdem von Impfgegnern immer wieder hervorgeholt. Sie geht zurück auf den britischen Arzt Andrew Wakefield. Seine These: Impfungen fördern das Eindringen von neurotoxischen Substanzen in den Organismus, die Autismus auslösen können. Mehrere groß angelegte Studien konnten aber keinen Nachweis für diese These finden.

Zudem stellte sich heraus, dass Wakefields Studie von Anwälten, die Eltern autistischer Kinder vertraten, finanziert worden war - mit dem Ziel, Impfstoffhersteller zu verklagen. Wakefield wurde von einer Ethik-Kommission des Fehlverhaltens überführt und verlor seine Approbation als Arzt.

Tatsächlich kann eine Masern-Impfung auch Nebenwirkungen hervorrufen: zum Beispiel die "Impf-Masern". Bis zu vier Wochen nach Impfung kann es zu Fieber mit masernähnlichem Ausschlag kommen. Dokumentiert sind auch Gelenkschmerzen bei Jugendlichen und Erwachsenen.

Weitere Themen