Windräder: NRW-Übergangsregel wird durch Bund gerettet
Stand: 27.01.2025, 14:57 Uhr
NRW wollte neu regeln, wo keine Windräder gebaut werden dürfen. Der Modus dazu scheiterte vor Gericht. Jetzt hilft der Bundestag.
Von Tobias Zacher
Die umstrittene Übergangsregel für Windräder in NRW, die mit zwei Gerichtsentscheiden weitgehend kassiert wurde, kann doch erhalten bleiben. SPD und Grüne im Bundestag haben sich nach wochenlangen Verhandlungen mit der CDU darauf geeinigt. Die drei Fraktionen planen, dafür das Bundes-Immissionsschutzgesetz zu ändern. Bereits in den kommenden Tagen soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden.
Laut dem entsprechenden Entwurf, der dem WDR vorliegt, wird das Recht auf bauplanungsrechtliche Vorbescheide für Windräder gestrichen, wenn sie außerhalb von "in Aufstellung befindlichen Windenergiegebieten" liegen. Es sei denn, die Gemeinden wollen die Windräder dort ausdrücklich.
OVG hatte Landes-Regel weitgehend gekippt
Eine vergleichbare Regel hatte die schwarz-grüne Regierung in NRW auf Landesebene bereits eingeführt, im Landesplanungsgesetz. Zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster hatten sie aber weitestgehend entkernt. In einer Begründung wies das Gericht darauf hin, dass nur der Bund solche Regeln aufstellen dürfe. Deshalb hatte sich die NRW-Landesregierung in Berlin seit dem Herbst für einen Bundestags-Beschluss eingesetzt. Diese Initiative ist nun erfolgreich gewesen.
Windräder künftig vor allem in extra Zonen
Nordrhein-Westfalen regelt derzeit neu, wo Windräder gebaut werden dürfen. Zu diesem Zweck überarbeiten die fünf Bezirksregierungen und der Regionalverband Ruhr ihre Regionalpläne, um darin Windrad-Gebiete auszuweisen. Außerhalb dieser Gebiete sollen Windräder künftig nur noch gebaut werden dürfen, wenn die zuständige Kommune das ausdrücklich will.
Doch noch sind diese neuen Regionalpläne nicht rechtskräftig, das soll erst bis Jahresende passieren. Bis dahin sind Windräder außerhalb von Ortschaften privilegiert, sodass die Behörden in der Regel Genehmigungen dafür erteilen müssen.
Windkraft-Unternehmen hatten deshalb in den vergangenen Monaten viele Anträge auf Windräder außerhalb der zukünftigen Vorrang-Gebiete gestellt. So wollten sie sich kurzfristig noch Standorte sichern, für die sie in Zukunft wesentlich seltener Genehmigungen erhalten würden.
Friedrich Merz setzte sich persönlich ein
Nach Angaben des NRW-Wirtschaftsministeriums gab es im Dezember im ganzen Bundesland Anträge für 1.427 Windräder außerhalb der künftigen Vorranggebiete. Hunderte davon betreffen das Sauerland, in dem CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz seinen Wahlkreis hat.
Er hatte sich persönlich für eine Regelung auf Bundesebene eingesetzt und dafür im Dezember einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Die SPD-Opposition im NRW-Landtag hatte das Vorhaben deshalb als "Lex Sauerland" bezeichnet, die es zu verhindern gelte.
SPD und Grüne zufrieden
Die nun erzielte Einigung mit SPD und Grünen lobte Merz. Zwar habe sich die CDU weitreichendere Regelungen gewünscht, der Kompromiss sei jedoch "ein wichtiger Schritt für einen geordneten und nachhaltigen Windkraftausbau", sagte er. Auch das Grünen-geführte NRW-Wirtschaftsministerium nannte die Einigung "eine gute Nachricht." Die SPD im NRW-Landtag spricht nun von einem "tragfähigen Kompromiss". Man habe in Berlin "eine rechtssichere Übergangsregelung für die kommenden Monate geschaffen, wozu die schwarz-grüne NRW-Landesregierung nicht in der Lage war", so André Stinka, der energiepolitische Sprecher der Fraktion.
Ökostrom-Branche protestiert
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW), der unter anderem die Interessen von Windenergie-Unternehmen vertritt, kritisierte die neue Regelung als "windige" und "undifferenzierte Gesetzesnovelle", die sei ein "fatales Signal". Der Vorsitzende Hans-Josef Vogel sagte: "Gerade erst hat die Landesregierung sich dafür gefeiert, Spitzenreiter bei neuen Windgenehmigungen zu sein. Jetzt will sie diese Ausbaudynamik abwürgen". Auch der Branchenverband erkenne die Notwendigkeit kommunaler und regionaler Steuerung. Das gehe aber nicht mit "pauschalen Ablehnungen". Der LEE NRW spricht von rund tausend Windrädern, für die Unternehmen Vorbescheide beantragt hätten, und die jetzt "ausgebremst" würden.
NRW sieht weiteren Regelungsbedarf
Das NRW-Wirtschaftsministerium betonte auf WDR-Nachfrage, dass es trotz des geplanten Bundesgesgesetzes weiterhin eine Regelungslücke sieht. Denn die Gesetzesänderung betreffe nur Anträge auf Windrad-Genehmigungen im Verfahren der "beschleunigten Vorbescheide". Es brauche darüber hinaus "nun zusätzlich auch für die mehreren hundert Anträge im regulären Genehmigungsverfahren sowie für reguläre Vorbescheide schnellstmöglich eine ergänzende Landeslösung." Details zu dieser möglichen neuen Regelung nannte ein Sprecher zunächst nicht.
Auch aus Sicht des Städte- und Gemeindebunds NRW greift der nun getroffene Kompromiss von SPD, CDU und Grünen zu kurz: "Beim Ausbau der Windenergie droht aktuell ein Wildwuchs, weil er sich nicht auf die davor vorgesehenen Flächen beschränkt", erklärte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer. Die Politik dürfe die "bislang weitreichende Akzeptanz in der Bevölkerung" nicht aufs Spiel setzen.
Unsere Quellen:
- Entwurf für Änderungen am Bundes-Immissionsschutzgesetz
- Stellungnahme NRW-Wirtschaftsministerium
- Statement Friedrich Merz
- Statement André Stinka
- Pressemitteilung Städte- und Gemeindebund NRW
- Pressemitteilung Landesverband Erneuerbare Energien NRW
- Eigene Recherchen
Über dieses Thema berichten wir auch im Radio: WDR5 Westblick am 27.01.2025 ab 17:05 Uhr.