Die Präsidentin des Landesrechnungshofs NRW (LRH), Brigitte Mandt, hat am Dienstag in Düsseldorf den Jahresbericht 2023 ihrer Behörde vorgestellt. Seit 2012 in diesem Amt, ist ihre jährliche Präsentation stets von ruhiger Sachlichkeit geprägt. Aber in diesem Jahr lässt sich zwischen den Zeilen auch Frust heraushören. Zum Beispiel, wenn sie beklagt, dass ihre Forderung, Schulden zu tilgen "selbst unter günstigsten Rahmenbedingungen und lange vor den Krisenjahren immer wieder im Nirwana verhallte".
Das räche sich nun, so die Bilanz von Mandt. Denn die Zeit der sprudelnden Steuereinnahmen geht zu Ende - und ab 2024 greift gnadenlos die Schuldenbremse. Sie hatte in der Pandemie und der Energiekrise noch Ausnahme-Möglichkeiten für Extraschulden eröffnet, das ist vorbei. Hinzu kommen steigende Personalkosten durch Besoldungserhöhungen und höhere Versorgungsausgaben.
Die Last der Altschulden
Ungemütliche Zeiten also für die Landesregierung aus CDU und Grünen - und allen voran für Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU). Sie werden künftig um Einsparungen im Haushalt nicht herumkommen.
Denn - das führt die Landesrechnungshof-Präsidentin eindrucksvoll mit wenigen Zahlen vor - die Spielräume werden durch die Last der Altschulden massiv beschränkt: Sie machten laut LRH fast 88 Prozent des aktuellen Schuldenstandes aus und werden bislang durch Aufnahme neuer Kredite umgeschuldet. Das habe 2022 mit rund 14 Milliarden Euro zu Buche geschlagen.
Steigende Zinsen verschärften das Problem. So habe sich die Pro-Kopf-Verschuldung in NRW, die jede Bürgerin, jeder Bürger rein rechnerisch trägt, binnen zwei Jahren um rund 11 Prozent auf 8.917 Euro im Jahr 2021 erhöht. Mit diesem Wert nehme NRW im Vergleich mit den 13 Flächenländern "schon seit Jahren den unrühmlichen 10. Platz ein", so Mandt.
Weniger Einnahmen und mehr Ausgaben
Es ist eine einfache Rechnung: Weniger Einnahmen und mehr Ausgaben machen unterm Strich viele Probleme. Und genau in dieser Lage befindet sich das Land nach der Analyse des LRH.
Brigitte Mandt
Während selbst während des Pandemie-Jahres 2022 die Steuereinnahmen gestiegen sind - von 2019 bis 2022 waren es mehr als 12 Milliarden Euro - sei nun klar: "Die Zeiten wandeln sich, aber leider nicht zum Guten!" Es könne nicht mehr von "stetig und deutlich ansteigenden Steuereinnahmen" ausgegangen werden. Die Finanzkontrollbehörde rechnet darum im Vergleich zu den bisherigen Planungen des Finanzministeriums damit, dass zwischen 2024 und 2027 insgesamt 2,2 Milliarden Euro fehlen werden.
Die Einsparpotenziale
Wo die Landesregierung künftig welche Summen einsparen will, sei eine politische Entscheidung, da halte sich der Landesrechnungshof raus. Seine Präsidentin Mandt mahnt nur an, dass ein flächendeckendes Aufgaben-Screening nötig sei. Heißt im Klartext: Alles muss auf den Prüfstand.
Sehr konkret wird der Jahresbericht aber dort, wo in der Vergangenheit quasi Geld, das dem Land zusteht, liegen geblieben ist. Den Finanzämtern seien allein bei den Werbungskosten durch unzureichende Kontrollen 22 Millionen Euro entgangen. Darüber hinaus, so eine Schätzung des LRH, könnten gründlichere Kontrollen der Finanzbeamten möglicherweise weitere rund 59 Millionen Euro in die Staatskasse spülen.
Beispiel Kostenerstattung für Flüchtlingsunterbringung
Für die Unterbringung von Flüchtlingen in Bundesimmobilien, wie zum Beispiel alten Kasernen, hat das Land zwischen 2015 und März 2022 mehr als 117 Millionen Euro ausgegeben. Diese Summe kann sich das Land vom Bund erstatten lassen. Theoretisch.
Praktisch sieht es so aus, dass die Antragstellung zur Kostenerstattung von den Bezirksregierungen geleistet werden muss und über weite Strecken nicht erfolgte. Ist es ein weiteres Beispiel für die Überlastung der Bezirksregierungen? Das will Brigitte Mandt nicht bewerten, sie hält sich lieber an die Fakten: Nur für 13 der 25 betroffenen Flüchtlingsunterkünfte seien überhaupt die erforderlichen Anträge zur Erstattung (hier ging es um die Summe von 30,1 Millionen Euro) gestellt worden.
Mandt rügte die Fachaufsicht des zuständigen Flüchtlingsministeriums. Immerhin, nach Intervention des Landesrechnungshofs habe das Ministerium die Bezirksregierungen per Erlass dazu verpflichtet, die Kostenerstattung umgehend anzuleiern.
Sparen im Kleinen wohl bald Notwendigkeit
Auch wenn die einzelnen Punkte, die der LRH in seinem Jahresbericht 2023 auflistet, mitunter klein erscheinen mögen angesichts des Gesamthaushaltsvolumens von aktuell 94,7 Milliarden Euro - mit Blick auf die rauen finanzpolitischen Zeiten wird die Landesregierung wohl schon bald nach allen Einsparreserven schauen müssen. Nicht nur Brigitte Mandt wird am Mittwoch mit Spannung auf die Einbringung des Landeshaushalts 2024 im Landtag schauen.
Hintergrund Landesrechnungshof
Die NRW-Landesverfassung garantiert die Unabhängigkeit der Finanzkontrolle durch den LRH: "Der Landesrechnungshof ist eine selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde. Seine Mitglieder genießen den Schutz richterlicher Unabhängigkeit." So steht es in Artikel 87. Der LRH steht auf einer Stufe mit der Landesregierung und den einzelnen Ministerien und "unterliegt keinerlei Weisungen", wie die Behörde betont. Umgekehrt hat die Behörde aber auch "keine Vollstreckungsrechte", wie die Präsidentin Brigitte Mandt betont. Ihr bleiben nur die Kontrollen, die Auflistung der Zahlen und immer wieder dringende Appelle an die Landesregierung - auch wenn diese mitunter im Nirwana landen.
Hinweis: In einer früheren Fassung hatten wir geschrieben, dass das Innenministerium die Fachaufsicht für die Abrechnung der Kosten der Flüchtlingsunterkünfte hat. Richtig ist aber, dass die Verantwortung beim Flüchtlingsministerium liegt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.