Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur versucht heute beim Thema Wirtschaft die kleine gute Nachricht nach vorne zu stellen: "Die Konjunktur in Nordrhein-Westfalen zieht absehbar wieder an." Doch beim genaueren Hinsehen steht die Wirtschaftslage in NRW weiter unter Druck. Das zeigt der Konjunkturbericht des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und die aktuelle Umfrage zur Stimmung in Unternehmen der Industrie und Handelskammer (IHK). Beides stellte Neubaur am Dienstag in Düsseldorf vor.
Das RWI rechnet für 2024 mit einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent, für das kommende Jahr 2025 sogar mit 0,7 Prozent. Insgesamt entwickelte sich die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen damit etwas besser als im Bund, wo sie um 0,1 Prozent schrumpfte.
Gastronomie zieht wieder an
Während in NRW Dienstleistungsbranchen - wie Gastronomie, Post, Sicherheitsdienste, Beratung - wieder zulegten, ist das Sorgenkind aber weiterhin die Industrie. Hier wirke immer noch der "Energiepreisschock" nach, sagte Neubaur. Außerdem machten den Unternehmen sinkende Nachfragen aus dem Ausland zu schaffen.
Produkte aus China oft besser als deutsche
Torsten Schmidt, Konjunkturexperte des RWI, lieferte ein Beispiel: Während früher Maschinen und Produkte aus Deutschland auch in China als höchster Standard galten, sei die Qualität chinesischer Produkte mittlerweile oft besser. Der Export nach China sei daher geschrumpft. Auch in der Autoindustrie ziehe man in Deutschland "gerade den kürzeren".
Sollte der künftige US-Präsident Donald Trump außerdem seine Drohungen mit Strafzöllen für importierte Produkte umsetzen, würde NRW das "hart" treffen, so die Ministerin. Drittwichtigstes Exportland seien die USA für NRW, 33 Milliarden Euro betrage das Handelsvolumen jährlich.
"Es geht auch anders"
"Strukturelle Probleme" ließen Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter nach hinten fallen, sagte auch Stefan Hagen, Vize-Präsident der IHK NRW: Der vielbeklagte Fachkräftemangel, die hohen Arbeitskosten - wie Löhne und Sozialabgaben für Mitarbeiter. "Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen droht zum Herbst 2024 tiefer in die Krise zu rutschen. Gerade in der Industrie ist die wirtschaftliche Lage nach Jahren des Rückgangs zunehmend kritisch", so Hagen weiter.
Bürokratieland Deutschland
Außerdem sei die Bürokratie ein Riesenaufwand. Ein Thema, das Unternehmen seit vielen Jahren immer wieder beklagen. Dabei gebe es Beispiele in Deutschland, "die zeigen: es geht auch anders", sagte Hagen. Wie beim Ausbau der Windkraft, bei der Genehmigung für das Tesla-Werk in Brandenburg oder wie beim LNG-Beschleunigungsgesetz, als 2022, kurz nach Beginn der Energiekrise durch Russlands Angriff auf die Ukraine, binnen weniger Monate in Kraft trat.
Auch bei der Verkehrsinfrastruktur in NRW seien Verbesserungen denkbar: "Vielleicht könnte auf einer Autobahnbaustelle auch mal 16 Stunden gearbeitet werden, damit es schneller geht."
Krisen verunsichern Unternehmen
Dazu kämen die aktuellen Krisen: Der Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, die Unsicherheit angesichts einer künftigen Trump-Regierung in den USA. "Das macht was mit den Unternehmen", sagte Hagen. Viele Firmen hielten sich mit Investitionen derzeit zurück.
Konjunkturexperte Schmidt konnte aber zumindest etwas Hoffnung auf Besserung machen: Die Konsumlaune bei den Menschen in NRW sei spürbar gestiegen. Zwar seien viele zurückhaltend beim Einkaufen, aber das Durchschnittseinkommen sei relativ hoch und die von den Banken gemeldete Sparquote ebenso. Seine These: Viele Menschen würden sich und ihr Geld zurzeit zurückhalten bis zu den vorgezogenen Bundestagswahlen. Danach könne die Nachfrage dann wieder ansteigen.
Quellen:
- Pressekonferenz NRW-Wirtschaftsministerium
- Konjunkturbericht IHK
- Konjunkturbericht RWI