Nach dem Wahldebakel der FDP bei der NRW-Wahl im Frühjahr 2022, bei der sie aus der Regierung und fast sogar aus dem Landtag flog, schien die Partei über längere Zeit im Schockmodus zu sein. Höhepunkt war ein Parteitag Anfang des Jahres, auf dem der neue FDP-Chef Henning Höne bei seiner Wahl nur knapp über die 50-Prozent-Hürde kam. Der Neuanfang fiel aus und die Stimmung war im Keller.
Doch zum Ende des Jahres scheinen sich die Liberalen wieder aufgerafft zu haben. Zwar leidet die Partei im Bund unter dem Ampel-Bündnis und auch in NRW sind die Umfrageergebnisse mau. Aber die FDP wirkt wieder lebendiger und setzt sich mit den politischen Gegnern auseinander - statt mit sich selbst.
Attacken auf Landesregierung beim Parteitag
Das wurde am Samstag auch beim Landesparteitag in Kamen deutlich. Die schwarz-grüne Landesregierung in Düsseldorf und die Grünen aus der Ampel-Koalition in Berlin wurden besonders ins Visier genommen.
So kritisierte Parteichef Höne die Haushaltspolitik der NRW-Regierung. "Um grüne Wünsche zu erfüllen, trickst der CDU-Finanzminister Optendrenk mit den Finanzregeln unserer Verfassung." Dabei habe NRW kein Einnahmeproblem, wenn sich das verfügbare Geld innerhalb von zehn Jahren verdoppelt habe.
Höne zählte mehrere Probleme auf wie die drohende Pleitewelle von Krankenhäusern, die finanziellen Schwierigkeiten von Kitas und die Probleme der Kommunen mit der Migration. In Anspielung auf die PR-Aktivitäten von Ministerpräsident Hendrik Wüst und seiner Regierung sagte der FDP-Chef: "NRW wird im Moment in Wahrheit nicht regiert, es wird repräsentiert. Viele schöne Bilder, wenig Substanz." Das Land habe mehr verdient als "diese Marketingkoalition".
Einsparungen statt höherer Steuern
Mit Blick auf die Haushalts-Diskussionen auf Bundesebene nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellte Höne die Haltung seiner Partei hervor: kein Aufweichen der Schuldenbremse und keine höheren Steuern. Stattdessen müsse geschaut werden, wo gespart werden könne. So sei die Rente mit 63 eine "miese Idee", weil sie jeden Monat drei Milliarden Euro koste. "Wir müssen aussteigen aus der Rente mit 63", forderte der FDP-Chef. Auch über das Bürgergeld müsse gesprochen werden. Zudem müsse seine Partei für weniger "grüne Wirtschaftspolitik" kämpfen.
Ein Rückzug der FDP aus der Bundesregierung sei aber keine Option. "In dieser Situation müssen freie Demokraten zu ihrer Verantwortung stehen. In dieser Situation müsse wir auf der Brücke bleiben", sagte Höne. Es sei der "größtmögliche Fehler", nun das Schiff zu verlassen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann, der aus NRW kommt, ging in seiner Rede auf die Lage in Berlin ein und erteilte den Ampel-Partnern ein klares Stoppsignal im Haushaltsstreit: "Der Staat muss Sparen lernen." Es müssten "substanzielle Milliardenbeträge" eingespart werden. Wo genau, ließ der Minister aber offen. Stattdessen machte auch er deutlich, was nicht gehe: Steuererhöhungen und ein Abrücken von der Schuldenbremse.
Generalsekretär führt FDP in den Europawahlkampf
Am Freitagabend haben sich die Liberalen bereits auf den Europawahlkampf im kommenden Jahr vorbereitet. Der NRW-Generalsekretär und EU-Abgeordnete Moritz Körner wurde zum Spitzenkandidaten gewählt. Er erhielt 87 Prozent der Stimmen.
Vor den Parteikollegen betonte Körner die Bedeutung der EU. "Die EU-Flagge muss in Zukunft für Frieden und für die Verteidigungsbereitschaft von Frieden stehen - in einer Weltordnung, in der die Stärke des Rechts regiert und nicht das Recht des Stärkeren", sagte Körner. "Die Europäische Union muss außen- und machtpolitisch erwachsen werden."
Die Europawahl im Juni 2024 wird dann auch der erste Stimmunsgtest für FDP-Chef Höne und seine Liberalen sein, ob der Neuanfang in NRW wirklich gelingt.