Eigentlich wollte die FDP an diesem Samstag einen Neuanfang starten nach dem Wahldebakel bei der NRW-Wahl im Mai 2022. Ein Zeichen von Aufbruch sollte von dem Parteitag in Bielefeld ausgehen. Doch daraus wurde nichts. Denn mit einem denkbar schlechten Ergebnis wurde der neue NRW-Parteichef Henning Höne ins Amt gewählt. Er startet nun mit der großen Hypothek, dass eine große Zahl der Parteifreunde gegen ihn ist.
Konkret stimmten nur 208 Delegierte oder 54,5 Prozent für den 35-Jährigen aus Coesfeld. 157 FDP-Mitglieder votierten gegen Höne und 17 enthielten sich. Schon im Vorfeld hatte er durchblicken lassen, nur mit einem "eher mittelmäßigen Ergebnis" zu rechnen. Der tatsächliche Ausgang dürfte das aber noch einmal unterboten haben. Nur knapp über 50 Prozent Zustimmung bei keinerlei Gegenkandidatur sind auf Parteitagen äußerst ungewöhnlich und deuten auf eine große Skepsis bis Ablehnung hin.
Parteinachwuchs ist unzufrieden
Skepsis hatten zum Beispiel die Jungen Liberalen geäußert, der parteieigene Nachwuchs. So beklagten sie bereits vor Wochen, dass der 35-jährige Höne trotz des noch jungen Alters kein echter Neuanfang sei, sondern eher ein "Weiter-so". Sie hätten sich gewünscht, dass jemand anderes den Parteivorsitz übernimmt, nachdem der bisherige FDP-Chef Joachim Stamp seinen Rückzug erklärt hatte.
Denn: Höne ist seit dem vergangenen Sommer schon Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion und vereint mit dem Parteivorsitz nun beide wichtigen Ämter. Außerdem wird der Münsterländer als Teil der alten Regierungsmannschaft wahrgenommen, die für die Wahlniederlage im Mai 2022 verantwortlich gemacht wird. Denn Höne war damals schon Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion gewesen - und somit an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt.
Durchwachsene Rede von Höne
All das dürfte ihm am Samstag bei der Wahl nicht geholfen haben. Hinzu kam eine durchwachsene Bewerbungsrede auf dem Parteitag. Den ersten und einzigen großen Beifall gab es nach 25 Minuten, als Höne von "gewaltbereitem Linksextremismus" in Lützerath sprach. Kurz danach war die Rede auch vorbei - und der Applaus blieb eher mau.
Inhaltlich hatte sich Höne auf altbekannte FDP-Formulierungen wie die der "bestmöglichen Bildung" konzentriert. Eine gewagte Forderung, nachdem die FDP fünf Jahre lang das NRW-Schulministerium geführt hatte. Zudem sprach er von wettbewerbsfähigen Energiepreisen, einem Programm für Wirtschaftswachstum und der Digitalisierung. Zum Schluss forderte er seine Partei auf, dem bisherigen "Kompass" zu folgen. Dazu gehöre "Mut für Veränderungen" sowie "Werben für Eigenverantwortung, Freiheit, Individualität und Toleranz".
Doch dieser Appell an die liberale Seele verfing offenbar nicht bei allen Delegierten des Parteitags. Wie kritisch das Agieren der alten Führungsspitze - zu der eben auch Höne gezählt wird - gesehen wird, machte der NRW-Chef der Jungen Liberalen deutlich. So sprach Alexander Steffen von einer "beschämenden Art und Weise", wie seine Partei während der schwarz-gelben Regierungszeit versucht habe, möglichst nah an der CDU zu sein und keine Meinungsverschiedenheiten zu zeigen. "Nie wieder darf die Loyalität dem Koalitionspartner gegenüber größer sein, als die Überzeugungen der eigenen Partei."
Lindner redet über Krieg und Steuern
Christian Lindner
Auch vom Bundesvorsitzenden Christian Lindner kam keine Rückendeckung für Höne. So forderte er lediglich: "Die Zeit der Aufarbeitung endet mit dem heutigen Tag. Jetzt geht es darum, in Nordrhein-Westfalen wieder eine klare liberale politische Alternative zu beschreiben." In die landespolitischen Niederungen wagte sich Lindner nicht herab. Stattdessen gab es von ihm einen Rundumschlag über den Krieg in der Ukraine, die Finanzen des Staates sowie die Wirtschafts- und Energiepolitik.
Höne selbst räumte später zerknirscht ein: "Mit einem solchen Wahlergebnis ist niemand zufrieden, da freue ich mich auch nicht drüber." Er wolle sich jetzt aber auf die lange "Liste der Aufgaben" konzentrieren. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Marcel Hafke, sagte, es habe sich um ein Ventil der Delegierten gehandelt, "um Frust nach der Wahlniederlage" abzulassen. "Aber das ist das falsche Signal", sagte er.
Losentscheid für Vize-Posten
Doch auch bei der Wahl der drei Stellvertreter-Posten gab es Überraschungen. In einer Kampfkandidatur lagen die beiden Bewerber Clarisse Höhle und Michael Terwiesche in den ersten beiden Wahlgängen exakt gleichauf. Daraufhin entschied das Los - und Terwiesche gewann. Auf die anderen zwei Stellvertreterposten wurden zwei Frauen gewählt: die Bundestagsabgeordneten Nicole Westig (69,2 Prozent) und Katrin Helling-Plahr (54,8 Prozent). Sie setzte sich gegen die Bundesvorsitzende der Jungliberalen, Franziska Brandmann, durch.