Bye-bye Pandemie: Was wir künftig besser machen können

Stand: 06.04.2023, 17:50 Uhr

Am Freitag laufen die allerletzten Coronaregeln aus. Drei Jahre mit harten, teils folgenreichen Maßnahmen liegen hinter uns. Nicht alle waren sinnvoll, sagen Menschen aus Politik und Wissenschaft rückblickend.

Von Nina Magoley

Gut drei Jahre nach Beginn der Pandemie werden die letzten bundesweit geltenden Corona-Maßnahmen am Freitag, 7. April, beendet sein. Drei Jahre lang war die Welt zeitweise im Ausnahmezustand - Lockdowns, Maskenpflicht, immer wieder Impfungen mit einem neu entwickelten Vakzin.

Schon am 28. Februar war die letzte Corona-Schutzverordnung in NRW ausgelaufen - nach 1.073 Tagen. Seitdem galten nur noch wenige Einschränkungen - wie Maskenpflicht für Patienten und Besucher in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeheimen. Auch damit ist nun endgültig Schluss.

Wie ist die Bilanz?

Bis zum heutigen Tag wurden in Deutschland rund 38,4 Millionen Coronafälle und 171.059 Tote registriert. Den höchsten Stand mit 1,6 Millionen verzeichnete die WHO im März 2022. Die meisten Todesfälle im Dezember 2021.

Interessant ist der Vergleich mit Schweden: Trotz steigender Infektionszahlen gab es dort kaum Beschränkungen. Keine Maskenpflicht, Veranstaltungen fanden regulär statt, Schulen blieben geöffnet. Es gab keine Verbote, lediglich Empfehlungen.

Nach kurzer Zeit stieg die Zahl der Todesfälle in Schweden rasant. Doch in der Bilanz der WHO steht das Land heute gut da: Während Deutschland pro 100.000 Einwohner bis heute rund 46.100 Infektionsfälle und 205 Corona-Tote zählt, sind es in Schweden rund 26.100 Fälle und 231 Tote.

Mit 4,4 Prozent Übersterblichkeit hatte Schweden während der Coronajahre 2020 bis 2022 die niedrigste Rate der EU. Und während in Deutschland das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den Jahren 2020 und 2021 ins Minus rutschte, verzeichnete Schweden den achthöchsten Zuwachs aller 27 EU-Staaten.

Ex-Ministerpräsident Laschet: "Sehr viele Fehler gemacht"

Armin Laschet

"Ausgewogener Kurs": Ex-Ministerpräsident Laschet

Wir haben alle sehr viele Fehler gemacht", räumte der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Donnerstag rückblickend im WDR Radio ein. Laschet war während der harten Jahre der Pandemie die meiste Zeit in der Verantwortung in NRW. Er zeigte sich insgesamt zufrieden mit dem "ausgewogenen Kurs", den die Landesregierung in NRW gefahren sei.

Dennoch habe man sich zuweilen zu sehr von Sorgen und Angst treiben lassen - etwa während des Oster-Lockdowns 2021, als Familientreffen und Altenheimbesuche verboten waren. Nach empörten Protesten von vielen Seiten relativierte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diese Entscheidung schon einen Tag nach der Verkündung - und entschuldigte sich bei der Öffentlichkeit.

"Da hätte man gleich sagen müssen: So etwas ist unrealistisch, das darf man nicht mitmachen", sagt Laschet heute. Einer der schwersten Fehler sei es gewesen, "Menschen in den Altenheimen alleine sterben zu lassen". Das sei "nicht korrigierbar".

Laschets Lehre: "Ganzheitlich auf das Problem schauen"

Er sei immer für ein sorgfältiges Abwägen gewesen, so Laschet - zum Beispiel bei der Frage der Schulschließungen: "Welche Schäden bedeutet denn das für die Kinder?" Da habe er möglichst viele Meinungen hören wollen. "Dieses Abwägen ist im Wettbewerb dann immer sehr schnell diskreditiert worden als Lockerung."

Im Ergebnis seien heute kinderpsychologische Praxen "völlig überlaufen". Seine Lehre für künftigen Pandemien: "Immer ganzheitlich auf das Problem zu schauen und nicht nur einseitig."

Situation von Familien mehr berücksichtigen

Christine Falk, Immunologin Medizinische Hochschule Hannover

"Viel gelernt": Immunologin Christine Falk

Auch im Lager der Wissenschaftler blickt man auf manche Maßnahme heutzutage skeptisch zurück. Ob die monatelangen Schulschließungen wirklich einen wichtigen Effekt hatten, sei schwer einzuschätzen, sagt Christine Falk, Professorin für Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Falk war Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung. Heute sagt sie, man dürfe Familien mit dieser Situation nie wieder "allein lassen". Generell müsste die psychologische Situation der Kinder und Eltern bei den Anordnungen in künftigen Pandemien mehr berücksichtigt werden.

Nicht gelungen war der Professorin zufolge auch die politische Kommunikation. Künftig müsse man "mehr erklären, warum man etwas tut, und dass die Wissenschaft versucht, die Grundlage zu geben und die Politik unabhängig davon ihre Entscheidungen trifft". Es sei ein "lernendes System" gewesen, wo nicht immer genau vorhersehbar war, was passiert. Manchmal habe es Entscheidungen gegeben, wo keine genau sagen konnte, "ob das jetzt wirklich die beste aller Varianten war".

"Wahlkampf auf dem Rücken der Pandemie"

Auch Uwe Janssens, Chef der Klinik für Innere Medizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler, hatte sich während der Pandemie immer wieder geäußert - meistens mit eindringlichen Appellen zu mehr Vorsicht und weniger Lockerungen. Rückblickend kritisiert er vor allem die Uneinigkeit der Bundesländer bei den verschiedenen Maßnahmen.

Intensivmediziner Uwe Janssens

"Anstrengend": Mediziner Uwe Janssen

"Eine Pandemie verläuft in ganz Deutschland letztlich überall gleich", sagte er dem WDR. Doch dass die 16 Bundesländer immer wieder eigene Wege gingen "war aus unserer medizinischen Sicht etwas anstrengend". In der Bevölkerung habe dieser Föderalismus "zu einer Verunsicherung erheblich beigetragen".

Er hätte sich mehr Einigkeit bei den Maßnahmen gewünscht, sagt Janssens - die sei aber "dem politischen Betrieb zum Opfer gefallen". Es gab während der Zeit mehrere Landtagswahlen, auch in NRW - und jedes Mal hätten "verschiedene Stimmen auf dem Rücken der Pandemie versucht, Wählerstimmen zu generieren". Das habe viel Glaubwürdigkeit gekostet, "die Menschen draußen haben das nicht verstanden".