Krankenhaussterben durch Krankenhausreform?
Aktuelle Stunde. 13.11.2023. UT. Verfügbar bis 13.11.2025. WDR. Von Claudia Weber.
Krankenhausreform: Das Tauziehen zwischen Bund und Ländern geht weiter
Stand: 13.11.2023, 17:09 Uhr
Zum Auftakt des Deutschen Krankenhaustags in Düsseldorf zeichnet sich ein weiterer Konflikt zwischen Bund und Ländern bei der Krankenhausreform ab. Ein Machtkampf mit offenem Ausgang.
Von Sabine Tenta
Der Deutsche Krankenhaustag ist eine jährliche Veranstaltung, bei der sich Branchenvertreterinnen und -vertreter mit der Politik austauschen. Zum Auftakt des 46. Krankenhaustags in Düsseldorf zeichnete sich am Montag weiterer Konfliktstoff zwischen Bund und Ländern ab. Einigkeit herrscht jedoch bei allen Akteuren, dass eine Reform der Krankenhauslandschaft dringend nötig ist. Im Kern wird es auf eine Reduzierung der aktuell rund 1.700 Kliniken in Deutschland hinauslaufen.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat in NRW vorgelegt und ist bereits seit drei Jahren dabei, eine Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft zu entwickeln. Sein Amtskollege im Bund, Karl Lauterbach (SPD), plant ebenfalls eine große Krankenhausreform. Wer wird in Zukunft welche Kompetenzen haben? Bleibt die Verantwortung für die Krankenhäuser in den Ländern oder greift der Bund stärker ein? Zu diesem Konfliktpunkt schien es eine Einigung gegeben zu haben, als sich Bund und Länder auf die Eckpunkte zur Krankenhausreform einigten. Doch weitere Konflikte zeichneten sich in Düsseldorf ab. Lauterbach und Laumann sprachen am Montag beide auf dem Krankenhaustag.
Aktuelle Finanznöte der Kliniken
Zu Beginn seines Vortrags in Düsseldorf appellierte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), die aktuelle Lage der Kliniken und ihre Zukunft mit der geplanten Neustrukturierung zu trennen. Der Kostenschub, "der mit gerechtfertigten Lohnerhöhungen verbunden ist", müsse, so Laumann, durch die Träger der Kliniken refinanziert werden. Dieser Kampf müsse erstmal geführt werden, bevor eine Krankenhausreform möglich sei. Denn, so ist sich Laumann sicher: "Wir können durch Insolvenzen keine Krankenhausreform machen." Die Gefahr sei zu groß, dass Kliniken herausfielen, die für das Land nötig sind.
Der aus Berlin zugeschaltete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte in seinem Vortrag, der Bund werde bis zum Frühjahr die Kliniken mit 3,2 Milliarden Euro Energiehilfe unterstützen. Zudem würden die Mindererlöse in der Pflege durch Regelungen des sogenannten Transparenzgesetzes vom Bund ausgeglichen. Den Krankenhäusern würden in Summe noch 6 Milliarden Euro für die Pflege zufließen, rechnete Lauterbach vor. Er sagte: "Ein flächendeckendes, größeres Krankenhaussterben" sei für 2024 auszuschließen.
Das umstrittene Transparenzgesetz
Für reichlich Zündstoff sorgte auf dem Krankenhaustag jedoch das Transparenzgesetz, das jüngst der Bundestag verabschiedete und das noch den Bundesrat passieren muss. Es sieht unter anderem die Errichtung eines Online-Vergleichsportals vor. Dafür sollen die Krankenhäuser aber auch in Levels und Leistungsgruppen eingeteilt werden. Ein strittiger Punkt, denn die Länder befürchten, dass damit in ihre Hoheit eingegriffen wird.
Dazu sagte Karl-Josef Laumann am Montag in Düsseldorf: "Aus meiner Sicht ist es nicht hilfreich für das, was wir vorhaben." Seien die Level einmal festgelegt, sei schwer dagegen zu agieren. Es sei "ein Gesetz, das die Arbeit nicht erleichtert, sondern erschwert", sagte Laumann und kündigte an, dem Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen zu können. Er stellte aber auch die Frage in den Raum, ob es im Bundesrat die nötige Zweidrittelmehrheit geben werde, um das Gesetz scheitern zu lassen. Sicher sei aber, dass sich alle 16 Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder einig seien, dass sie keine Macht bei der Verantwortung für die Krankenhäuser abgeben wollen.
Es wird also ein weiteres Ringen geben um den großen Wurf, die Krankenhauslandschaft in Deutschland umzugestalten.
Brief der 16 Bundesländer an Lauterbach
Karl Lauterbach
Unterdessen kündigen die 16 Bundesländer bereits Widerstand beim Bundesgesundheitsminister an. Auf einer Videokonferenz der Gesundheitsminister sei man sich einig gewesen, dass die bisherigen Ergebnisse zur Krankenhausreform als "sehr enttäuschend" zu beurteilen seien, heißt es in einem Brief der Länder an Lauterbach, der dem WDR vorliegt.
Das nächste Treffen zwischen den Ländern und Lauterbach ist für den 23. November angesetzt. Die Länder fordern nun, dass dieser Termin ausschließlich "für eine zeit- und ergebnisoffene, politische Aussprache" ohne anschließende Pressekonferenz genutzt werden solle. Es scheint erheblichen Gesprächsbedarf zu geben.
Die Lage der Kliniken in Deutschland
Vor dem Auftritt von Lauterbach und Laumann auf dem Deutschen Krankenhaustag hatten verschiedene Verbandsvertreter die schwierige Lage der Kliniken skizziert. "Demografie, Personalnöte, Finanznöte" - mit diesen drei Schlagworten hatte Michael Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK), "die riesigen Herausforderungen" der Krankenhauslandschaft umrissen.
Insbesondere die Inflation und die Tarifsteigerungen setzten den Krankenhäusern gerade zu, betonte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Ingo Morell. Viele Krankenhäuser könnten beispielsweise die Weihnachtsgelder für ihr Personal nicht mehr aus eigenen Mitteln bezahlen. Insolvenzen drohten, Kliniken seien bereits in Schutzschirmverfahren wegen ihrer Schuldenlast. Der Staat müsse den Krankenhäusern stärker unter die Arme greifen, so der immer wieder geäußerte Appell der Branche in Düsseldorf.
Personalabbau trotz Fachkräftemangel
Eine Umfrage unter deutschen Kliniken habe ergeben, dass 49 Prozent der Allgemeinen Krankenhäuser planen, wegen der Finanznöte Personal abzubauen. "Völlig schizophren" nennt das der Präsident der DKG, Ingo Morell: "Wir bauen Personal ab, das wir dringend brauchen."
Einen massiven Fachkräftemangel in der Pflege beklagte Sabine Berninger vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Sie warnte, dass Digitalisierung und Zuwanderung nur begrenzt für Entlastung sorgen könnten. Darum müssten brachliegende Potenziale in der Pflege gehoben werden und dem Personal mehr Eigenständigkeit zugetraut und Kompetenzen ausgebaut werden.
Kritik der Verbände am Transparenzgesetz
Auch die Verbandsvertreter in Düsseldorf kritisierten das Transparenzgesetz. Josef Düllings, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) nannte das Gesetz "überflüssig" und bezweifelte dessen Nutzen für die Patientinnen und Patienten.
Ingo Morell von der Deutschen Krankenhausgesellschaft befürchtet, dass das Transparenzgesetz die Bürokratie nicht nur steigern, sondern "zu Höchstständen" bringen werde. Die Deutsche Krankenhaustag rief die Länder dazu auf, dem Gesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen und den Vermittlungsausschuss einzuschalten.
Lauterbach: Kein großflächiges Krankenhaussterben 2024
Der diesjährige Krankenhaustag steht unter dem Motto "Zeitenwende für Krankenhäuser". Eigentlich wollte man über die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers und deren Folgen diskutieren, sagte Michael Weber, Vertreter der Ärztinnen und Ärzte. Doch es liege noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor: "Was steht denn drin?", fragte Weber klagend. Das aktuelle Verfahren der Reform kritisierte er als intransparent. Bislang haben sich Bund und Länder lediglich auf Eckpunkte für die Reform geeinigt.
Später gestand Karl Lauterbach in seinem Statement auf dem Krankenhaustag ein, dass man in der Zeitplanung, was die Vorlage des Gesetzentwurfes angehe, mehrere Monate zurückliege. Er erklärte es mit der Komplexität und der Einmaligkeit, es gebe dafür kein Vorbild in Europa. In der ersten Hälfte 2024 werde das Gesetz aber beschlossen und man bleibe dabei, dass es bis 2029 in Gänze umgesetzt sein werde.
Angesichts der Diskussionen auf dem Deutschen Krankenhaustag ist dies vielleicht eine optimistische Prognose. Immerhin: Laumann hat bekräftigt, ein hohes Interesse zu haben, "das wir in Berlin was Gescheites hinkriegen".
Über den Krankenhaustag berichten wir unter anderem am Montag auch in der WDR-5-Sendung Westblick ab 17.04 Uhr.