Ein Bagger verlädt Sperrmüll, der sich nach dem Hochwasser auf einer Straße in der Euskirchener Innenstadt türmt

Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe: Was bleibt?

Stand: 07.05.2022, 06:00 Uhr

Eine Umweltministerin, die zurücktritt, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Streit um einen nicht einberufenen Krisenstab - der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe in NRW hat für ordentlich Wirbel gesorgt. Eine Bilanz.

Von Selina MarxSelina Marx

Nach gut einem halben Jahr mit 21 Sitzungen war am Freitag Schluss. Ein letztes Mal trafen sich die Abgeordneten des NRW-Landtags zum "Parlamentarischen Untersuchungsausschuss V (Hochwasserkatastrophe)" – wie er offiziell heißt. Er sollte aufklären, wer welche Fehler vor, während und nach der Jahrhundertflut gemacht hat, die in NRW im Juli 2021 49 Menschen das Leben gekostet hatte. Mehr als zwei Millionen Seiten an Unterlagen und mehr als 50 Zeugen sollten dabei helfen.

Ob und in welcher Form es nach der Landtagswahl weitergeht, ist noch offen. Sicher ist: Der Ausschuss hat für einige denkwürdige Momente gesorgt.

"Malle-Gate" und Rücktritt der Umweltministerin

Für Ursula Heinen-Esser hat der U-Ausschuss das Ende ihrer Karriere als Umweltministerin bedeutet. Die CDU-Politikerin musste am 07. April zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass sie sich nach der Flutkatastrophe länger auf Mallorca aufgehalten hatte, als sie ursprünglich im Ausschuss ausgesagt hatte.

Die Kritik an ihr verschärfte sich, als die Öffentlichkeit zudem erfuhr, dass sie nur wenige Tage nach der Flut auf der Insel mit Kommunalministerin Ina Scharrenbach, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und der damaligen Staatssekretärin Serap Güler (alle CDU) den Geburtstag ihres Ehemanns gefeiert hatte.

Für das öffentliche Bild, das ihr Verhalten hervorgerufen hat, entschuldigte sich Heinen-Esser – bis zuletzt verteidigte sie aber, sie habe auch von Mallorca aus alle ihr anvertrauten Aufgaben wahrgenommen und einen guten Job gemacht. Auch Scharrenbach und Güler baten öffentlich um Entschuldigung.

Wann die Staatskanzlei und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) genau von den Reisedetails und der Geburtstagsfeier erfahren haben, ist bis heute nicht geklärt. Sowohl Wüst als auch der Chef seiner Staatskanzlei sagen, sie könnten sich nicht erinnern, wann im März oder April sie davon erfuhren.

"Insta-Affäre" der SPD

Zeitnah zum Rücktritt von Heinen-Esser geriet auch die SPD-Fraktion massiv in die Kritik. Ein Mitarbeiter der parlamentarischen Geschäftsführerin Sarah Philipp hatte der 16-jährigen Tochter von Heinen-Esser per Instagram zwei Freundschaftsanfrage geschickt. Eine davon vom offiziellen Account von Sarah Philipp. Der Verdacht: Die SPD wollte so an Fotos vom umstrittenen Mallorca-Urlaub kommen. Philipp entschuldigte sich bei Heinen-Esser und zog arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie sie mitteilte.

Fehlender Hochwasserschutz und fehlende Warn-Systeme

Zu Beginn des Untersuchungsausschusses, im Oktober und November 2021, dominierte vor allem die Frage, warum das Land die Menschen in den betroffenen Gebieten nicht frühzeitiger und umfassender gewarnt hatte. Hätten Menschenleben gerettet werden können?

Ja, war die klare Antwort der britischen Hydrologie-Professorin Hannah Cloke. "Mehrere Tage" vor der Katastrophe sei absehbar gewesen, wie ernsthaft die Situation war. Ähnlich äußerte sich Wetterexperte Jörg Kachelmann im Ausschuss: "Es musste in dieser Situation niemand ums Leben kommen. Wenn alle das tun, was hätte getan werden müssen".

Zu wenige Messstellen in NRW

Doch warum wurde nicht früher gewarnt? Das Hauptproblem bestand zum einen darin, dass es in NRW für viele kleinere Flüsse zu wenige Messstellen gab. Eine Hochwasservorhersage gab es lediglich in der Entwicklungsphase.

Hinzu kam: Die hydrologischen Berichte, in denen Experten des Landesumweltamtes abschätzen, wann wo welche Wasserpegel steigen, erreichten vielerorts die Katastrophenschützer in den Kommunen nicht. Und wenn doch, fehlte dort oft die Expertise, die fachlich formulierten Berichte richtig interpretieren zu können.

Landesregierung bessert nach

Inzwischen hat die schwarz-gelbe Landesregierung nachgebessert. In dieser Woche startete die Testphase eines Hochwasservorhersagetools für 14 kleinere Flüssen im Land.

Weitere Maßnahmen existieren jedoch bisher nur auf dem Papier. Sei es die angestrebte Reform des Katastrophenschutzes von Innenminister Herbert Reul (CDU) oder Punkte des Arbeitspapiers „Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels“ aus dem Umweltministerium. Von den vielen Ideen ist bis zu Landtagswahl kaum etwas umgesetzt worden.

Fehlte ein Krisenstab?

Lange wurde im Untersuchungsausschuss auch darüber gestritten, dass die Landesregierung keinen Krisenstab einsetzte. Stattdessen traf sich eine Koordinierungsgruppe.

Innenminister Herbert Reul (CDU) räumte im Ausschuss ein, dass ein Krisenstab eine stärkere symbolische Wirkung an die Menschen gehabt hätte. Gleichzeitig verteidigte er bis zuletzt vehement, dass die Koordinierungsgruppe ebenso schlagkräftig wie ein möglicher Krisenstab gewesen sei. Tatsächlich konnte die Opposition keine fehlerhaften Entscheidungen aufzeigen.

Außerdem spielte die CDU den Ball an dieser Stelle gerne zurück und verwies darauf, dass per Katastrophenschutzgesetz, das auf die rot-grünen Regierung zurückgeht, die Verantwortung zum Handeln bei den Kommunen gelegen habe.

Wirtschaftsminister Pinkwart zum Kiesgruben-Unglück

Der letzte prominente Zeuge war am Freitag Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), der zum Kiesgruben-Unglück in Erftstadt-Blessem Auskunft geben sollte.

Damals hatte der sich durch die Flut ausdehnende Krater der Grube drei Häuser der Ortschaft in die Tiefe gerissen. Weitere mussten wegen Einsturzgefahr abgerissen werden. Ein Gutachten belegte später, dass das am fehlenden Hochwasserschutz der Kiesgrube gelegen hatte.

Doch Hinweise darauf, dass es Mängel am Hochwasserschutz gegeben hat, finden sich im Bericht des Ministers an den Landtag kaum. Pinkwart verteidigte, dass diese Informationen bisher nicht gesichert seien. Er habe in den Bericht nur Fakten schreiben lassen, keine Vermutungen. Außerdem wolle er auf die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln warten. Warum der Minister sich nicht auf die Gutachten alleine verlassen will, sagte er nicht.

Fazit: Was bleibt?

7 Monate – so kurz sind Untersuchungsausschüsse in der Regel nicht. Gemessen an dieser kurzen Zeitspanne hat das Gremium ziemlich viele Schlagzeilen produziert. Zum Teil allerdings auch, weil sich die Aufklärungszeit mit dem Wahlkampf zur Landtagswahl überschnitt.

Besonders CDU und SPD lieferten sich, je näher der Wahltag rückte, umso heftigere Gefechte im Ausschuss, aber auch in den sozialen Medien oder der Presse.

Für die betroffenen Menschen in den Flutgebieten dürften aber nur die angestrebten Verbesserungsmaßnahmen zählen. Immerhin sind sich alle Abgeordnete einig, dass NRW ein besseres Hochwassermeldesystem und bessere Warnketten braucht. Darum wird sich die nächste Regierung zwingend kümmern und an der Umsetzung auch messen lassen müssen.

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