Zu wenig Personal: Warnung vor Engpässen auf den Intensivstationen

Stand: 03.11.2020, 10:30 Uhr

Die Krankenhäuser in Deutschland rechnen mit einer Rekordzahl an Intensiv-Patienten durch Corona. Sorgen bereiten den Ärzten nicht nur die Anzahl der Betten, sondern vor allem der Personalmangel.

Aufgrund der rapide ansteigenden Zahl an Corona-Infektionen rechnen die Krankenhäuser in Deutschland schon bald mit einer Rekordzahl an Intensiv-Patienten. Vermutlich würden es in zwei bis drei Wochen noch mehr sein als im April, fürchtet die Deutsche Krankenhausgesellschaft.

In einigen Bundesländern werden bereits die Intensiv-Betten knapp. "Es ist in einigen Bundesländern nicht mehr viel Spielraum. Berlin hat nur noch 14 Prozent freie Intensivbetten, Bremen 17 Prozent. Im Frühjahr war die Situation viel weniger dramatisch", sagte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), der "Bild".

Krankenhausgesellschaft: "Ausreichend Kapazitäten"

In Nordrhein-Westfalen ist die Lage auf den Intensivstationen bislang nicht kritisch. Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft NRW gibt es derzeit kein Krankenhaus, das aus Kapazitätsgründen keine neuen Corona-Patienten behandeln könnten.

Es handele sich aber um ein dynamisches Geschehen. Laut NRW-Gesundheitsministerium stünden insgesamt 7.846 Intensivbetten zur Verfügung. Frei seien davon zurzeit noch 1.628. Derzeit würden 6,6 Prozent der Intensivbetten mit Beatmung für die medizinische Versorgung von Covid-19-Patienten verwendet. Zudem haben die Kliniken eine Notfallreserve - fast 13.000 Betten können bundesweit innerhalb einer Woche bereitgestellt werden.

Ist die Zahl der gemeldeten Betten richtig?

Doch Frank Herbstreit, Leiter der Intensivmedizin an der Uniklinik Essen, warnt gegenüber dem WDR: "Wenn wir uns immer hinstellen und sagen: 'Wir haben genug Intensivbetten, wir haben genug Ressourcen' - das vermittelt ein falsches Maß an Sicherheit. Denn es ist so, dass wir diese Intensivbetten auch für Nicht-Covid-Patienten brauchen."

Die Zahl der gemeldeten Betten ist wohl auch zu hoch, sagt Christian Karagiannidis, Arzt der Lungenklinik Köln-Merheim. Er arbeitet auch für die DIVI, an die die Krankenhäuser ihre freien Betten melden. "Wir hatten den Eindruck, dass einige Kliniken es missverstanden haben mit der Meldung. Sie haben auch die Betten frei gemeldet, die sie nicht akut frei haben, sondern wo man Personal irgendwo anders abziehen muss."

Fachkräftemangel könnte zentrales Problem werden

Unabhängig von der Zahl der Betten ist vor allem fraglich, ob es auch ausreichend Personal gibt. Seit Jahren ist der Fachkräftemangel ein Thema, doch bald könnte er zu einem zentralen Problem werden.

Im St.-Antonius-Hospital in Eschweiler ist die Arbeit noch zu bewältigen - solange alle gesund bleiben. "Die Sorge ist, dass wir das Pflegepersonal und die Ärzte mit in den Infektionsketten haben", erklärt Uwe Janssens, Leiter der Intensivmedizin, gegenüber dem WDR. "Diese Mitarbeiter stehen uns dann nicht mehr zu Verfügung, weil sie in Quarantäne gesetzt werden. Gleichzeitig steigen die Patientenzahlen - das kann kritisch werden."

Medizinstudenten, die gelegentlich aushelfen, bringen nur eine geringe Entlastung und dürfen nicht alle Facharbeiten übernehmen. In Eschweiler wurden deshalb schon Kollegen in Elternzeit gebeten, mit entsprechend angepassten Arbeitszeiten wieder in ihren Job zurückzukehren.

Stiftung Patientenschutz fordert Reform des Meldesystems

Die Stiftung Patientenschutz fordert Nachbesserungen am DIVI-Register. Es sei zweifelhaft, inwieweit die als verfügbar angezeigten Betten tatsächlich belegt werden könnten, sagte Vorstand Eugen Brysch. Krankenhäuser sollten künftig auch melden, "ob für die Plätze genügend Fachpersonal bereitsteht."