Trotz Inflation und Energiekrise: Urlaub muss sein

Stand: 27.10.2022, 13:11 Uhr

Das Konsumklima ist mau, die Inflation steigt, die Aussichten für 2023 sind trüb. Die Deutschen sparen an allem - nur an einer Sache nicht: Am Urlaub.

Von Ingo Neumayer

Hohe Inflationszahlen, Sorgen um die Energiepreise: Dass das Konsumklima in Deutschland derzeit eher getrübt ist, ist keine Überraschung - und wird auch durch die monatliche Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigt. Zwar erwarten die Forscher im November ein leicht verbessertes Konsumklima als im Oktober. "Die Lage ist aber weiter sehr angespannt", sagte GfK-Forscher Rolf Bürkl dem WDR.

"Ein Großteil der Bevölkerung hat eine Inflationsrate von zehn Prozent nie bewusst erlebt, das gab es das letzte Mal kurz nach dem Zweiten Weltkrieg", sagte Bürkl. Entsprechend pessimistisch seien die Verbraucher gestimmt. Viele rechneten mit einer stark gestiegenen Heizkostenabrechnung im kommenden Frühjahr und würden jetzt schon Mittel dafür zurücklegen. "Und dieses Geld fehlt an anderer Stelle", so erklärt Bürkl die Zurückhaltung der Verbraucher beim Konsum.

"Am Urlaub wird zuletzt gespart"

Allerdings gibt es einen Bereich, der bislang noch relativ glimpflich durch die aktuelle schlechte wirtschaftliche Lage gekommen ist: die Reisebranche. Die Erfahrung habe gezeigt: "Auch wenn es für die Verbraucher wirtschaftlich schwierig ist - am Urlaub wird zuletzt gespart", so Bürkl.

Reiseverband verzeichnet hohe Nachfrage

Ähnlich sieht das der Deutsche Reiseverband (DRV). Dieser wähnt die "Deutschen im Reisefieber" und verzeichnete in diesem Sommer eine Urlaubsnachfrage auf einem Niveau, das vor der Corona-Pandemie herrschte. Es habe sich eindrucksvoll gezeigt, "dass die Deutschen nach der langen Zeit der Entbehrungen während der Pandemie wieder verreisen wollten und diesen Wunsch auch umsetzten – allerdings vielfach sehr kurzfristig", sagte der Verbandspräsident Norbert Fiebig in einer Mitteilung. Auch in den Herbstferien habe es eine hohe Reisenachfrage gegeben.

Der Kölner Marktforscher und Psychologe Stephan Grünwald vom "Rheingold Institut" sieht als Grund dafür die kulturellen Eigenarten der Deutschen. "Wir sind nicht so in uns ruhend wie die Franzosen oder Amerikaner, die ein festes Selbstbild haben, das sie ausrichtet", sagte er im Rahmen der Sportmesse ISPO. Die Deutschen seien "immer auf der Suche nach dem Sinn", und das habe sie zum "Reiseweltmeister" gemacht.

Lieber in den Urlaub als Geld fürs Auto ausgeben

Der Drang, im Urlaub Neues zu erleben und den heimischen Alltag hinter sich zu lassen, ist offenbar auch in Krisenzeiten groß. So groß, dass dafür in anderen Bereichen Abstriche gemacht würden, sagt GfK-Forscher Bürkl: "Die Verbraucher haben lieber an anderer Stelle eingespart und die Anschaffung eines neuen Pkw oder von Einrichtungen für die Wohnung verschoben oder ganz aufgegeben". Wenn es um den Urlaub geht, muss also selbst das vielen Deutschen heilige Auto zurückstehen.

Allerdings: Auch und gerade im Urlaub gibt es Fallstricke, die den Geldbeutel unnötig belasten. Der Psychologe Hans-Georg Häusel sieht hier vor allem Spontankäufe als Problem. "Wir sind völlig entspannt, sehen etwas, kaufen, kommen nach zwei Wochen nach Hause, machen den Koffer auf - und fragen uns, welcher Schrott sich da angesammelt hat", sagte er dem WDR.

Schuld an diesem Verhalten sei das Belohnungssystem im Gehirn, das bei Einkäufen aktiviert werde. Dieses lasse sich aber auch anders stimulieren. "Sport, ein nettes Gespräch, schönes Essen zubereiten, Sex - es gibt viele Möglichkeiten, dem Belohnungssystem etwas anzubieten, was nichts mit Geld zu tun hat", so Häusel.

Prognosen für 2023: Wirtschaft schrumpft, Inflation steigt

Und die in Zukunft noch wichtiger werden könnten. Denn nicht nur die GfK geht davon aus, dass die schwierige Situation für die Verbraucher in den kommenden Monaten noch anhält. Auch die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute sind sich einig: Die deutsche Wirtschaft wird über den Winter schrumpfen, die Inflation weiter ansteigen. Wie sich das dann auf die kommende Urlaubssaison auswirkt, ist derzeit noch ungewiss. "Für 2023 überwiegt bei mir noch Optimismus, aber das Konsumklima muss gehalten werden", sagte DRV-Chef Fiebig.

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