Demos gegen die Inflation: "Solidarisch durch die Krise"

Stand: 22.10.2022, 16:52 Uhr

Mit einem bundesweiten Aktionstag hat ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Organisationen am Samstag in mehreren Städten für gezieltere Krisenhilfen demonstriert. Tausende gingen bei der zentralen NRW-Veranstaltung in Düsseldorf auf die Straße. Was wurde konkret gefordert?

Hohe Energiepreise, hohe Inflation - das macht derzeit vielen finanziell zu schaffen. Und es trifft vor allen die, die wenig Geld zur Verfügung haben. Für gezieltere Krisenhilfen demonstrierte am Samstag ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Organisationen in mehreren Städten bei einem bundesweiten Aktionstag.

Tausende Teilnehmer in Düsseldorf

Am Mittag startete der Demozug in Düsseldorf. Rund 4.000 Teilnehmer schlossen sich ihm an. An der Spitze fuhr ein Wagen des Düsseldorfer Künstlers Klaus Klinger, der ein einäugiges Monster mit einer Inflationsbombe zeigt.

Menschen fordern in Düsseldorf gezieltere Hilfen und schnellere Energiewende

Von Peter Hild

Rund 4.000 Menschen haben am Samstag in Düsseldorf für gezieltere Hilfen in der Krise und eine schnellere Energiewende demonstriert. Dabei hatten die Menschen aus ganz NRW verschiedene persönliche Anliegen.

Eine Frau steht in einer Menschenmenge mit einem Plakat um den Hals

"Mit diesem Spruch ist eigentlich alles gesagt", findet Christine Zentek, die aus Duisburg zur Demonstration gekommen war. Die Rentnerin macht sich Sorgen um die Zukunft, um ihre Enkel und sieht den Traum einer friedlichen Welt derzeit ausgeträumt. Sie wünscht sich vor allem, dass die Waffen im Ukraine-Krieg jetzt schweigen und wieder verhandelt werden sollte.

"Mit diesem Spruch ist eigentlich alles gesagt", findet Christine Zentek, die aus Duisburg zur Demonstration gekommen war. Die Rentnerin macht sich Sorgen um die Zukunft, um ihre Enkel und sieht den Traum einer friedlichen Welt derzeit ausgeträumt. Sie wünscht sich vor allem, dass die Waffen im Ukraine-Krieg jetzt schweigen und wieder verhandelt werden sollte.

Silke Winkler aus Aachen fordert dringend Unterstützung für ihren Alltag. "Ich arbeite Vollzeit, bin alleinerziehend und kann mir die monatlichen Abschläge für die Energie inzwischen einfach nicht mehr leisten." Sie fordert deshalb Soforthilfen von der Bundesregierung. Sollten die nicht bald kommen, weiß sie nicht, wie sie dauerhaft über die Runden kommen soll.

"Ich weiß, was Privatisierung bedeutet", erzählt Helmut Gröschl, pensionierter Arzt, der früher am Helios-Klinikum in Duisburg gearbeitet hat. Er sorgt sich um seine Kollegen in der Ärzteschaft und beim Pflegepersonal in der aktuellen Situation, die die Lage in vielen Krankenhäusern neben der Corona-Situation durch die hohen Energiekosten noch verschärfe. Er fordert, dass deshalb die öffentliche Hand Kliniken übernimmt, um Häuser vor der Insolvenz zu retten.

Annegret Bettex war mit ihrer Tochter Luise aus Lüneburg gekommen, weil sie vor allem die Energiewende vorantreiben will. Die dürfe nicht auf Kosten der Ärmeren gestaltet werden. "Ich finde, dass die Wohlhabenden und die Industrie jetzt in der Pflicht sind." Der Staat sollte jetzt umfassend in erneuerbare Energien investieren, so ihre Forderung.

"Die Lasten durch die Inflation sind für viele unerträglich geworden. Da müssen eben auch Profite der Firmen, die jetzt weiter Gewinne machen, abgegriffen werden", meint Daniela Müller aus Gelsenkirchen. Sie erwartet diesen Monat noch ihre Nebenkostenabrechnung und rechnet damit, dass sie mindestens das Dreifache des bisherigen Preises zahlen muss. "Dann ist ein Monatslohn weg, nur für Miete und Nebenkosten", betont die Rentnerin, die nebenher als Übersetzerin arbeitet.

Für Thomas Wasilewski aus Mönchengladbach geht es vor allem darum, dass die Hartz-IV-Regelsätze angehoben werden. "Ich muss jeden Tag zur Tafel gehen, weil ich und meine drei Kinder sonst nicht satt werden", erzählt der 59 Jahre alte Frührentner. Er hat 35 Jahre als Bildungsbegleiter bei der Ruhrkohle AG gearbeitet. "Mein Geld reicht nach 35 Jahren Arbeit gerade nur noch bis zum 23. jedes Monats."

Das einäugige Monster: Wagen des Düsseldorfer Künstlers Klaus Klinger

Das einäugige Monster: Wagen des Düsseldorfer Künstlers Klaus Klinger

Die Demonstranten forderten unter anderem, den Anstieg vieler Preise zu stoppen und gezielter jenen zu helfen, die die Krise besonders hart trifft, wie Geringverdiener oder Rentner. Außerdem sollten starke Schultern in der Krise mehr tragen als andere, d.h. Reiche oder Konzerne, die in der Krise weiter Gewinne machen, sollten stärker besteuert werden.

Bürgerbewegung: Als Gesellschaft zusammen stehen

Führt die Bürgerbewegung Finanzwende: Gerhard Schick

Führt die Bürgerbewegung Finanzwende: Gerhard Schick

Aus Sicht des Bündnisses kann nur solidarisches und gemeinsames Handeln eine Spaltung der Gesellschaft verhindern. "Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen", sagte auch Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, im WDR. Gerhard Schick ist promovierter Volkswirt und ehemaliges Mitglied des Bundestages für die Grünen.

Die Bundesregierung will insgesamt 200 Milliarden Euro aufwenden, um die extremen Belastungen der Energiepreiskrise abzufangen. Eines der größten staatlichen Unterstützungsprogramme, die es je gab. Reicht das nicht? Man müsse eben sehr gut aufpassen, wohin das viele Geld am Ende tatsächlich fließe, warnt Schick. "Bei Unternehmungsrettungen muss man aufpassen, dass da nicht viel Geld ausgegeben wird, das nachher an Aktionäre fließt."

"Man muss nicht immer auf die Gesamtsumme gucken, sondern wie sie verteilt ist." Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende

"Nicht nur auf das Jetzt schauen"

Die Übernahmen von Monatsvorauszahlungen seien wichtige Maßnahmen. Aber man setze sich auch für Investitionen für eine krisenfeste Zukunft ein - zum Beispiel im Bereich Energiesparen und Gebäudesanierung. "Wir dürfen nicht nur auf das Jetzt schauen." Und beim Thema Gaspreisbremse müsse der Anreiz zum Energiesparen unbedingt aufrecht erhalten werden.

Forderung: Krisengewinne abschöpfen

Es gibt immer Unternehmen, die von Krisen profitieren. Das zeige auch ein Blick in die Vergangenheit. "In der Finanzkrise hat man riesige Finanzvermögen gerettet, aber es gab nie einen Beitrag der Finanzbranche zur Tragung dieser Lasten. In der Coronakrise haben manche Unternehmen Kurzarbeitergeld in großer Höhe kassiert und es an ihre Aktionäre ausgeschüttet. Wir fordern, dass man Gewinne, die in der Krise gemacht werden, abschöpft", so Schick."

Solidarischer Herbst - ohne extreme Gruppen

Die Veranstalter wollten sich nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bewusst von extremen Gruppen von links und rechts abgrenzen. Nach der Demonstration in Düsseldorf gab es eine Kundgebung am Landtag.