Flut-Update: "Man muss versuchen, etwas Gutes daraus zu ziehen"

Stand: 13.07.2022, 06:00 Uhr

In unseren "Flut-Updates" erzählen Betroffene der Flutkatastrophe 2021 ihre persönliche Geschichte. Sie schildern ihre Probleme und Gedanken, die die Zeit nach der Flut mit sich gebracht hat.

Diesmal sind wir bei Nora Nechad in Ahrweiler. Sie ist 33 Jahre alt, verheiratet und zweifache Mutter. Die Wohnung der Familie wurde zerstört, Nora rettete sich und die Kinder über den Balkon ins Dachgeschoss des Nachbarhauses. Jetzt bauen sie sich ein neues Eigenheim und es war die ganze Zeit klar: Wir bleiben in der Heimat. So geht es ihr heute:

"Die Kinder wollen öfters gucken, wie das Haus aussieht" Nora Nechad

"Es wird einem bewusst, dass man einfach nichts in der Hand hat, dass man sein Schicksal nicht selbst bestimmen kann, und dass man trotzdem immer dankbar sein muss für den Zustand, wie es ist oder wie es einem geht. Und gleichzeitig im Kopf behalten, dass trotzdem von heute auf morgen alles anders sein kann.

In der Nacht selber gab es vereinzelt Momente, in denen man sich dachte: 'Okay, es geht nicht weiter.' Aber richtige Panik habe ich verdrängt, einfach um die Kinder zu retten. Wir werden nicht zurück ins unsere Wohnung gehen, aber natürlich gehört das jetzt zu unserem Leben dazu. Die Kinder fragen öfters nach und wollen ab und zu dort vorbeifahren, um zu gucken, wie das Haus jetzt aussieht. Dann fahren wir da auch mal vorbei, aber ich glaube, man muss das nicht jeden Tag präsent vor Augen haben."

"Man macht sich viel mehr Gedanken, versetzt sich auch nochmal zurück in die Flutnacht" Nora Nechad
Blick auf Ahrweiler

In der gewohnten Umgebung bleiben

"Die ersten Wochen und Monate hat man einfach gemacht, denn es musste ja irgendwie weitergehen. Und zwischendurch kommt auch mal so eine Phase, in der man seelisch und körperlich erschöpft ist. Dann überlegt man auch, ob es die richtige Entscheidung war zu bleiben. Oder ob man woanders komplett neu hätte anfangen sollen. Aber der Rückhalt von Familie und Freunden, der Zuspruch auch von fremden Leuten, von Helfern, hat gezeigt, dass das schon richtig war. Und das gibt einem die Motivation, immer weiter zu machen in Phasen, wo es schwierig ist.

Vor ein paar Wochen hat es ein paar Tage ziemlich stark geregnet, da wurde auch wieder eine Unwetterwarnung ausgesprochen. Natürlich ist man da jetzt viel sensibler. Man macht sich viel mehr Gedanken, versetzt sich auch nochmal zurück in die Flutnacht. Trotzdem versuchen wir, nicht jedes Mal in Panik zu verfallen. Ich glaube, dann wird man auch nicht mehr froh."

"Wäre die Flut nicht gewesen, wären vielleicht auch viele schöne, positive Dinge gar nicht passiert" Nora Nechad

"Es war die richtige Entscheidung, dass wir gesagt haben: Wir geben das Leben hier nicht auf - auch nicht Freunde und Familie! Es ist natürlich nicht einfach, und das alles wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber wir sind trotzdem zuversichtlich, bauen uns jetzt ein neues Eigenheim auf, und die Kinder haben weiterhin ihre gewohnte Umgebung.

Nora Nechad, junge dunkelhaarige Frau aus Ahrweiler

Ich bin selbständig als Augenoptikerin. Das Geschäft wurde auch komplett überflutet. Man merkt jetzt einfach, dass man trotzdem auf kleinerem Raum auch viel bewirken kann. Wäre die Flut nicht gewesen, wären vielleicht auch viele schöne, positive Dinge gar nicht passiert. Man muss einfach versuchen, etwas Gutes daraus zu ziehen und es so im Kopf behalten."

Protokoll: Julius Schmidt