Flut-Update: "Es gibt heute Freundschaften, die es vorher nicht gab"

Stand: 12.07.2022, 06:00 Uhr

In unseren "Flut-Updates" erzählen Betroffene der Flutkatastrophe vor einem Jahr ihre persönliche Geschichte. Sie schildern ihre Probleme und Gedanken, die die Zeit nach der Flut mit sich gebracht hat.

Dies ist die Geschichte von Michael Griese aus Bad Münstereifel. Seine Frau und er verloren wegen des Hochwassers ihr Bistro, das sie seit 2014 in der Innenstadt betrieben hatten. Der Wiederaufbau läuft schleppend, aber Michael bleibt positiv und freut sich auf weitere gute Jahre. So geht es ihm heute:

"Alles, was wir Jahre vorher aufgebaut haben, war innerhalb von wenigen Stunden weg" Michael Griese

"Das war ein außergewöhnliches Jahr, mit Anforderungen, von denen ich dachte, dass sie nie mehr auf mich zukommen. Ich bin sehr demütig geworden in den letzten Monaten. Man muss akzeptieren, dass man nicht alles steuern und regeln kann. Die Flut hat bewirkt, dass alles, was wir Jahre vorher aufgebaut hatten, dass es einfach innerhalb von wenigen Stunden wieder weg war.

Da war ich teilweise schon sehr niedergeschlagen. Weil ich mir meines Lebensalters bewusst war. Und dann kam natürlich auch irgendwann der Gedanke: Wieso willst du nochmal an den Start gehen, wieso willst du diese Strecke nochmal zurücklegen? Aber ich konnte nie damit umgehen, dass ich irgendetwas, was ich mir vorgenommen hab, nicht umsetze. Es gibt ein Ziel, da musst du hin!"

"Das ist nicht befriedigend" Michael Griese

"Die Problematik lag natürlich ein Stück weit auch an der Situation im Handwerk. Die Handwerker hatten vorher schon alle gut zu tun. Und dann kam natürlich eine Sonderkonjunktur, die so noch nicht da gewesen war. Ich habe fünf oder sechs Briefings gemacht mit Handwerkern, von denen ich anschließend nie mehr was gehört habe. Keine Absage, kein Halbsatz, nichts dergleichen. Ich hab' jetzt den Eröffnungstermin drei Mal verschoben. Das ist nicht befriedigend."

"Ich freue mich auf jedes Gespräch mit einem Gast" Michael Griese

"Wir haben natürlich in den vergangenen Monaten auch überraschende, absolut positive Erfahrungen gemacht. Wir haben zahlreiche Einladungen von Gästen bekommen, die gesagt haben: 'Wenn ihr nicht für uns kochen könnt, dann kochen wir halt für euch.' Und da gibt es heute auch Freundschaften und neue Beziehungen, die es vorher nicht gab.

Wo sehe ich mich nächsten Sommer? Ganz einfach: Ich sehe mich hier in diesen Räumen, in der Küche, völlig grinsend meine Sachen vor- und zubereiten, freue mich auf jedes Gespräch mit einem Gast. Und wenn ich dann feststelle, dass wir noch fünf gute Jahre haben, dann hat sich das gelohnt. Dann ist das alles in Ordnung."

Protokoll: Julius Schmidt