Iran-Wahl – die Lage der Frauen bleibt brisant
Aktuelle Stunde . 06.07.2024. 25:22 Min.. UT. Verfügbar bis 31.12.2024. WDR. Von Alexa Schulz.
Präsidentenwahl im Iran: Bringt Peseschkian Veränderungen für die Frauen dort?
Stand: 07.07.2024, 17:32 Uhr
Repressionen gehören für Frauen im Iran zum Alltag. Ist es mit dieser Unterdrückung künftig vorbei – unter dem neuen Präsidenten Massud Peseschkian der sich im Wahlkampf als reformorientiert ausgegeben hat?
Mahtab tanzt in Teheran auf offener Straße. Anmutig und grazil bewegt die junge Frau in westlicher Kleidung und ohne Kopftuch ihren Körper – zu sehen auf einem Video, das viral ging. Doch inzwischen ist Mahtab spurlos verschwunden, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International meldet. Ihre Posts auf Instagram haben die iranischen Behörden gelöscht, dort ist nun zu lesen: krimineller Inhalt, von der Justiz blockiert.
Das Schicksal von Mahtab ist kein Einzelfall im Iran. Die Unterdrückung von Frauen ist dort an der Tagesordnung. Erst wenige Tage ist es her, dass die sogenannte Sittenpolizei eine Iranerin, deren Kleidung angeblich nicht sittsam sei, drangsalierte. Eine Szene, die heimlich gefilmt und in sozialen Medien geteilt wurde.
Wird nun im Iran alles anders, sprich: besser? Für Hoffnungen sorgt Massud Peseschkian, der jetzt im Iran die Präsidentenwahl gewonnen hat. Die Wahl war nötig geworden, weil der iranische Staatschef Ebrahim Raisi im vergangenen Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war.
Politiloge Fathollah-Nejad zeigt sich skeptisch
Politologe Ali Fathollah-Nejad
Peseschkian hatte im Wahlkampf nicht nur für "konstruktive Beziehungen" zum Westen geworben – der 69-jährige Herzchirurg sprach sich auch gegen die Polizeikontrollen zur Kopftuchpflicht für Frauen aus. Und auch das Vorgehen der Behörden während der landesweiten Massenproteste, die durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September 2022 nach ihrer Festnahme wegen angeblicher Verstöße gegen die strengen muslimischen Kleidervorschriften ausgelöst worden waren, hatte der neugewählte Präsident im Zuge seines Wahlkampfes kritisiert.
Doch der deutsch-iranische Politologe Ali Fathollah-Nejad, Direktor des Center for Middle East and Global Order (CMEG), ist skeptisch. Er sieht den neuen iranischen Präsidenten als eine "Mogelpackung", wie er dem WDR sagte. Peseschkian sei "ein Super-Loyalist gegenüber dem Machtzentrum der islamischen Republik, obwohl er dem Reformlager zugehört". Hinzu komme, dass die wichtigen Politikfelder im Iran unverändert blieben – weil sie vom Machtzentrum bestimmt würden, wo der Präsident nicht dazu gehöre. Unter diese wichtigen Politikfelder falle auch der Umgang mit der Zivilgesellschaft, also auch der Umgang mit den Frauen.
Lage der Frauen im Iran wird sich wohl nicht verbessern
Boutique-Besitzerin Elmira Rafizadeh
Elmira Rafizadeh glaubt ebenfalls nicht daran, dass es zu Änderungen im Iran unter dem neuen Präsidenten kommt, wie sie dem WDR sagte. Rafizadeh ist Schauspielerin und betreibt in Köln eine Boutique. Als Kind war sie aus dem Iran nach Deutschland geflohen, heute engagiert sie sich in der Bewegung "Woman, Life, Freedom". Auch für die Frauen im Iran werde der neue Präsident kaum etwas tun können, glaubt Rafizadeh. Denn wirkliche Macht zur Veränderung habe er nicht.
Es sieht also so aus, als wenn die Lage für die Frauen im Iran desolat bleibt. "Die Repressionen sind extrem stark", sagt Rafizadeh. Sie weiß von Verwandten und von Bildern, dass viele Iranerinnen kein Kopftuch mehr tragen. "Damit begeben sie sich jeden Tag in eine Gefahr, denn wenn sie verhaftet werden, werden sie gefoltert und vergewaltigt", so Rafizadeh. Ihr blute das Herz, wenn sie Bilder etwa von der tanzenden Mahtab sehe, die jetzt spurlos verschwunden ist. Das Ausmaß sei "wirklich furchtbar". Ihr Appell: "Wir im Westen müssen weiter hinschauen - nur dann haben Menschen wie Mahtab überhaupt eine Chance zu überleben", sagt Rafizadeh.
Quellen:
- Ali Fathollah-Nejad, Direktor des Center for Middle East and Global Order gegenüber dem WDR
- Elmira Rafizadeh gegenüber dem WDR
- Nachrichtenagentur AFP