Gerichtsverhandlung mit Signalwirkung für Energiewende | aktuelle Stunde
03:23 Min.. Verfügbar bis 04.12.2026.
Erdkabel für den Strom-Transport: Landwirte klagen gegen das Land NRW
Am Mittwoch findet am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Verhandlung statt, die nicht nur für die Region von Bedeutung ist. Eine Gruppe von Landwirten klagt gegen das Land NRW, weil dieses zugestimmt hat, dass Stromleitungen unter ihren Ackern verlegt werden.
Die großen Windparks im Norden sind ein wichtiger Teil der Energiewende. Aber auch neue Stromtrassen, die die grüne Energie transportieren, gehören dazu. Hierfür werden seit 2016 in Deutschland bevorzugt Erdkabel verlegt anstatt der überirdischen Freileitungen. Die Trassen ziehen sich auch durch NRW, zum Beispiel Borgholzhausen im Kreis Gütersloh.
Um was konkret geht es?
Es geht um ein gut vier Kilometer langes Teilstück einer insgesamt 70 Kilometer langen 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung zwischen Ostwestfalen-Lippe und dem Raum Osnabrück. Der Netzversorger Amprion aus Dortmund will in der Nähe der Stadt Borgholzhausen die Stromkabel unter die Erde legen. Amprion ist einer der vier Übertragungsnetzbetreiber, die in Deutschland für das Höchstspannungsnetz, die sogenannten Strom-Autobahnen, zuständig sind.
Große Strom-Erdkabel werden verlegt.
Gegen die Erdverkabelung klagen Landwirte aus NRW. Eigentlich kommt für sie die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schon zu spät, denn auf ihren Flächen hat Amprion schon längst mit der unterirdischen Verlegung der Stromkabel begonnen.
Die Landwirte kritisieren, dass durch die Erdverkabelung die Bodenqualität ihrer Flächen gemindert wird. Das Gericht soll klären, ob der Eingriff verhältnismäßig ist. Das Urteil könnte Signalwirkung haben, wie weitere geplante Stromtrassen gebaut werden.
Warum sind die Landwirte gegen die Erdkabel?
Landwirt Georg von Kerssenbrock
Einer der Kläger, der Landwirt Georg von Kerssenbrock aus Borgholzhausen, sagte dem WDR: "Es ist erwiesen, dass an den Kabeln eine Grundwärme von 35 bis 40 Grad entsteht." Diese Wärme gehe in den Boden hinein und wirke quasi wie eine Fußbodenheizung. Wenn dann im Sommer noch eine Wärme um 35 Grad quasi von oben mit dazukomme, könne dies für den Boden nicht von Vorteil sein.
Kritik kommt auch von Sarah Witte von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die geplanten Erdkabel würden vorwiegend über landwirtschaftliche Nutzflächen verlaufen. "Neben vorübergehenden Nutzungseinschränkungen während der Bauphase kann die Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Flächen zum Beispiel durch Veränderungen von Bodeneigenschaften und Drainagen nachhaltig verringert werden", so Witte.
Erdkabel oder Freileitungen: Was ist preislich günstiger?
Erdkabel sind wesentlich teurer als Freileitungen. Neue Berechnungen der Bundesnetzagentur zeigen nun, wie teuer: Würden statt Erdkabeln Freileitungen verlegt, ließen sich 35,3 Milliarden Euro einsparen. Von den Einsparungen beim Ausbau würden auch die Endverbraucher profitieren. Denn die Kosten für den Netzausbau werden über die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt.
Allerdings macht das Umschwenken von Erdkabel auf Freileitungen auch Probleme. Denn wenn die Planungsverfahren einmal auf Erdkabel ausgerichtet sind, sind die Neuplanungen auch teuer.
Was sagt Amprion?
Erst wollte Amprion Freileitungen, also Strommasten, bauen - dann aber gab es Anwohnerproteste. Daher schwenkte Amprion auf Erdkabel um. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde schließlich die Erde aufgerissen, obwohl es auch eine Bohrtechnik gegeben hätte, die weniger Schaden anrichtet.
Als Begründung schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung: "Die Verlegung der Kabel erfolgt in diesem Verfahren vergleichsweise kosteneffizient, schnell und reduziert die Projektrisiken." Projektrisiken meint vor allem Ärger mit Anwohnern. Weil es immer wieder Proteste von Anwohnern gibt, gilt in der Politik inzwischen das Erdkabel als Standardverfahren.
Warum war überhaupt einst von Freileitungen auf Erdkabel umgeschwenkt worden?
Gegen die riesigen Freileitungsmaste hatte es in der Vergangenheit viele Proteste aus der Bevölkerung gegeben. Das hatte den dringend notwendigen Ausbau der Stromnetze häufig jahrelang verzögert. Deswegen waren die Verantwortlichen in der Politik irgendwann umgeschwenkt und hatten der Erdverkabelung den Vorrang gegeben.
Der Erdkabelvorrang gilt seit 2016. Die Hoffnung: Gegen die Erdverkabelung gibt es aus der Bevölkerung weniger Proteste und mehr Akzeptanz. Doch nun machen die Landwirte mobil.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Jan-Hendrik Kamlage, Politikwissenschaftler
"Aus meiner Sicht geht es darum, lokal die beste Lösung zu finden", sagte der Politologe Jan-Hendrik Kamlage dem WDR. Das könne mal Erdverkabelung, das könne aber auch mal die ganz normale Trasse sein.
Rechtsanwalt Fabian Freund, der die Interessen der Grundstücksbesitzer vertritt, sagte dem WDR: Vom Bundesverwaltungsgericht könnte die Signalwirkung ausgehen, dass es auch in den Pilotprojekten Abschnitte gibt, die nicht geeignet sind für Erdkabel. Jetzt wird gespannt auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewartet. Die wird aber wohl nicht mehr am Mittwoch erwartet, wie der WDR erfahren hat.
Unsere Quellen:
- Landwirt Georg von Kerssenbrock aus Borgholzhausen gegenüber dem WDR
- Politologe Jan-Hendrik Kamlage gegenüber dem WDR
- Landwirtschaftskammer Niedersachsen
- Nachrichtenagentur dpa
Über dieses Thema berichten wir auch im Hörfunk: am 04.12.2024 um 9.10 Uhr im "Morgenecho" bei WDR 5.