Equal Pay Day: Müssen Frauen mehr über Geld reden?

Stand: 07.03.2023, 12:32 Uhr

Ein möglicher Grund für die schlechtere Bezahlung von Frauen ist, dass sie sich im Gegensatz zu Männern eher scheuen, über Finanzthemen zu sprechen.

Heute ist "Equal Pay Day"- ein Tag, der symbolisch für die Lohnlücke steht, die zwischen Männern und Frauen klafft. Rein statistisch hat heute die durchschnittliche Arbeitnehmerin das Jahreseinkommen für 2022 zusammen, das der statistisch durchschnittliche Arbeitnehmer schon vor 66 Tagen in der Tasche hatte. Warum ist das so?

Einerseits hat die unterschiedliche Bezahlung einen strukturellen Hintergrund: Frauen arbeiten eher in Teilzeit, weil sie Kinder betreuen oder sie sind oft in sozialen Berufen tätig, die weniger gut bezahlt werden. Interessant ist aber noch ein anderer Aspekt. Denn es gibt auch dort Unterschiede, wo Frauen die gleichen Qualifikationen haben und im selben Berufsfeld arbeiten wie Männer.

Frauen verdienen 18 Prozent weniger

Laut Statistischem Bundesamt lag der unbereinigte Gender Pay Gap  - also der geschlechtsspezifische Verdienstabstand - im Jahr 2022 bei 18 Prozent - das heißt Frauen verdienten 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Hiervon können 11 Prozentpunkte durch Beruf, Branche und Beschäftigungsumfang erklärt werden. Die restlichen 7 Prozent - der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap - lässt sich hingegen dadurch nicht erklären.

Durchschnittlicher Bruttoverdienst pro Stunde im Jahr 2022

"Frauen verhandeln anders"

Hava Misimi

Finanzbloggerin Hava Misimi

Dieser prozentuale Unterschied hat andere Gründe. "Ich denke, es liegt daran, das Frauen anders und weniger verhandeln als Männer", sagt die Finanzexpertin und Bloggerin Hava Misimi gegenüber dem WDR. Viele Frauen trauten sich schlicht nicht, mehr für ihre Arbeit zu verlangen. Außerdem sei es immer noch relativ intransparent, wer was verdient.

"In Deutschland spricht man nicht über das Thema Geld." Finanzexpertin Hava Misimi

Urteil zum Gehaltsunterschied

Doch gleicher Lohn ist keine Verhandlungssache. Zu diesem Schluss kam unlängst erst das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Geklagt hatte eine Frau, die als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb eines Unternehmens arbeitete und dafür einen geringeren Monatslohn erhielt als ihr männlicher Kollege. Beide befanden sich auf der gleichen Position im Unternehmen und beide waren im Abstand von nur wenigen Monaten eingestellt worden. Trotzdem verdiente der Mann deutlich besser. Laut Unternehmen unter anderem deshalb, weil er "besser verhandelt" habe. Die Arbeitnehmerin klagte - mit Erfolg.

Lohnungleichkeit - auch bei Tariflohnjobs

Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW

Anja Weber vom Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW

Die Lohnungleichheit trifft aber auch Berufe, in denen Tariflöhne bezahlt werden. Ein Blick in die Gastronomie: "Da werden Frauen zum Beispiel als Beiköchinnen eingestellt, die Männer als Köche. Im Angestelltenbereich werden Männer als Sachbearbeiter mit besonderer Verantwortung bezahlt und die Frauen als Sachbearbeiterin", erklärt Anja Weber, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW, gegenüber dem WDR.

Schweigepflicht durch Arbeitsvertrag

Diese Umgleichheit fällt oft gar nicht auf - manchmal auch, weil nicht darüber geredet werden darf. So meldete sich eine WDR-Hörerin und erzählte, dass sie sogar eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben musste. Eine andere Hörerin berichtete von ihrem Arbeitsvertrag, in dem stand, dass sie über ihren Lohn nicht reden sollte.

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Gewerkschaftstellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack

DGB-Vorsitzende Elke Hannack

Was also tun, wenn man über seinen Lohn nicht sprechen darf? Man muss zunächst die rechtliche Lage kennen. Seit 2017 gibt es das sogenannte Entgelttransparenzgesetz. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich - zumindest in größeren Unternehmen - der Anspruch, Kriterien für die eigene Bezahlung und das durchschnittliche Bruttogehalt zu erfahren. Doch der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Elke Hannack reicht das noch lange nicht. "Die Hürden für Gehaltsauskünfte sind zu hoch und es sind keine Sanktionen vorgesehen."

Das Gesetz ist ein zahnloser Tiger DGB-Vorsitzende Elke Hannack

Nach dem Transparenzgesetz bestünden Auskunftsrechte zum Gehalt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten. "Die meisten Unternehmen in Deutschland sind aber kleine und mittlere Unternehmen. Und nur ein Viertel aller Betriebe hat einen Tarifvertrag." Hannack setzt auf eine neue Richtlinie der EU voraussichtlich im Sommer, die mehr Transparenz bei der Bezahlung von Frauen auch in Deutschland schaffen könnte. 

Verhandlungsgeschick stärken

Nina Nickel setzt da lieber erst mal auf Verhandlungsgeschick. "Frauen denken immer noch, dass sie da anecken könnten." Nina Nickel ist Bewerbungstrainerin und hat Tipps für Frauen, wie sie sich im Bewerbungsgespräch verhalten sollen: "Macht euch vorher Gedanken. Geht da nicht rein mit dieser Unsicherheit."

"Macht euch vorher Gedanken" Bewerbungstrainerin Nina Nickel

Aus Bequemlichkeit in die Finanzfalle?

Viele Frauen machen aber auch von sich aus einen Bogen um Finanzen. Auch Hava Misimi kennt diese Ausreden von Frauen: "Mein Mann kümmert sich um die Finanzen" oder "Ich bin nicht gut in Mathe", hört Finanz-Influencerin Hava Misimi oft. Doch fest stehe: "Es bringt eine bessere Zukunft, wenn man sich heute mit seinen Finanzen beschäftigt."

Viele Frauen sind sich gar nicht bewusst, dass sie eine Rentenlücke haben. Finanz-Influencerin Hava Misimi