Gleicher Lohn ist keine Verhandlungssache: Was Frauen jetzt wissen sollten
Stand: 17.02.2023, 18:02 Uhr
Männer und Frauen dürfen bei gleicher Qualifikation für dieselbe Arbeit nicht unterschiedlich bezahlt werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am Donnerstag entschieden. Was das für Arbeitnehmerinnnen bedeutet:
Von Andreas Schneider
Arbeitgeber dürfen vom Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nicht abweichen, nur weil ein Mann höhere Gehaltsforderungen stellt als seine Kollegin. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Gilt das Urteil jetzt für alle?
Ja, das Urteil gilt prinzipiell für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Egal welche Branche, egal welcher Beruf und egal welches Alter.
Müssen alle Frauen und Männer jetzt gleich bezahlt werden?
Wenn sie dieselbe Arbeit und dieselbe Verantwortung tragen und gleich qualifiziert sind: Ja. Aber es gibt Faktoren, die weiterhin einen Gehaltsunterschied rechtfertigen: Unter anderem die Berufserfahrung, Fortbildungen, relevante Fremdsprachenkenntnisse oder höherwertige Abschlüsse. Kann der Arbeitgeber objektiv nachweisen, dass ein männlicher Kollege mehr leistet als eine weibliche Arbeitnehmerin, darf dieser auch weiterhin mehr verdienen. "Das Urteil also keine große Gleichmacherei, sondern einfach nur die konsequente Durchsetzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.", sagt Prof. Michael Fuhlrott vom Verband der deutschen Arbeitsrechtsanwälte.
Was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe diskriminiert zu werden?
Arbeitnehmerinnen in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können mithilfe des Entgelttransparenzgesetzes ihren Arbeitgeber auffordern offenzulegen, ob sie weniger verdienen als der durchschnittliche männliche Kollege in derselben Tätigkeit. Sollte sich das Gefühl bewahrheiten, raten Expertinnen und Experten zuerst das Gespräch zu suchen: Gibt es Gründe für diesen Gehaltsunterschied? Sind die objektiv nachweisbar? Falls nicht, muss der Arbeitgeber rechtlich nachbessern und das Gehalt erhöhen.
Was ist, wenn mein Betrieb weniger als 200 Mitarbeitende hat?
Hat der Betrieb weniger als 200 Mitarbeitende greift das Urteil zwar immernoch, aber es wird schwieriger eine Gehaltsdifferenz nachzuweisen. Das Entgelttransparenzgesetz gilt nämlich nur für große Unternehmen, ab 200 Mitarbeitenden. Das bedeutet Arbeitnehmerinnnen von kleineren Unternehmen haben keinen Anspruch darauf vom Arbeitgeber Auskunft zu bekommen, wie viel Geld andere Arbeitnehmer in vergleichbaren Tätigkeiten bekommen.
Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die, die Klägerin vertreten hat, rät in solchen Fällen zu Gehaltstransparenz im Team. "Sich da einfach mal auszutauschen, was jeder verdient, kann da sehr hilfreich sein." Es müsse ja auch niemand befürchten, dass ihm was weggenommen wird. "Es geht ja immer nur darum, dass andere mehr bekommen."
Können sich auch Männer, die weniger verdienen als andere Männer auf das Urteil berufen?
Nach Einschätzung von Prof. Michael Fuhlrott vom Verband der deutschen Arbeitsrechtsanwälte geht das nur in Ausnahmefällen. Das Urteil bezieht sich explizit auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es muss also nachgewiesen werden, dass der Grund für ein niedriges Gehalt bei gleicher Qualifikation Diskrimierung ist. Laut Gleichbehandlungsgesetz sind das unter anderem bei Merkmalen wie Geschlecht, Religion, ethnischen Herkunft, Weltanschauung oder Behinderung der Fall.
Wie viele Frauen sind betroffen? Und welche Rolle spielen Tarifverträge?
Laut Statistischem Bundesamt lag der Gender-Pay-Gap im vergangenen Jahr bei 18 Prozent. Trotz Bereinigung um Fakoren, wie Teilzeitarbeitsqouten und Beschäftigungen in Berufen mit niedrigeren Löhnen, die traditionell von Frauen besetzt werden, ergibt sich eine Lücke von sieben Prozent, die nicht erklärt werden kann.
Helfen Tarifverträge, den Gender-Pay-Gap abzubauen?
"Tarifverträge sind nicht diskriminierungssicher", sagt Sarah Lincoln. "Auch dort gibt es gewisse Spielräume, die zur Diskriminierung genutzt werden können." Die größere Gefahr besteht allerdings tatsächlich bei Branchen und Verträgen ohne Tarifrahmenvertrag.