So herrscht Elon Musk über Twitter

Stand: 01.11.2022, 16:18 Uhr

Nach der Übernahme von Twitter hat Elon Musk jetzt die alleinige Macht im Online-Dienst übernommen: Der reichste Mann der Welt kann alle Entscheidungen allein fällen – und durchführen. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb über die Hintergründe.

Elon Musk lässt keine Zeit verstreichen: Nach seinem "Einzug" in die Firmenzentrale in San Francisco mit Waschbecken in der Hand - ein symbolhafter Auftritt, der in Form eines englischsprachigen Wortspiels "Gewöhnt Euch dran!" signalisierte -, hat der neue Chef klar gemacht: Hier bestimme jetzt ich – und zwar ausschließlich!

Die komplette Führungsriege entlassen

Musk hat nicht nur den Chef-Justiziar auf die Straße gesetzt, sondern das komplette Top-Management gefeuert. Alle Menschen auf Direktionsposten wurden entlassen. Musk hat darüber hinaus das "Board" aufgelöst. Eine Art Verwaltungsrat, der die Geschicke eines Unternehmens steuert und über wichtige Personalfragen entscheidet.

Elon Musk ist jetzt alleiniger Twitter-Chef. Das teilte auch die US-Börsenaufsicht "SEC" mit. Denn noch ist Twitter ein börsennotiertes Unternehmen, das gewissen Regeln unterworfen ist (etwa: Veröffentlichungspflichten). Sollte Musk Twitter von der Börse nehmen, wäre auch das vorbei.

Ein neuer "Herrscher"

Tweet von Elon Musk in dem steht "the bird is freed".

Es entsteht fast der Eindruck, als würde ein neuer "Imperator" herrschen: Die alten Zöpfe werden abgeschnitten, einstige Vasallen entfernt – und das Reich mit neuen Treuen besetzt. So hat Elon Musk IT-Experten aus seinem Tesla-Konzern abgezogen, um Programmcode bei Twitter begutachten zu lassen. Besonders respektvoll und förderlich für eine vertrauensvolle Bindung zu den Entwicklern ist das ganz sicher nicht.

Elon Musk stellt bei Twitter alles in Frage und auf den Kopf. Weil er es kann – ihm gehört das Unternehmen schließlich. Allerdings dürfte das die verbliebenen Arbeitskräfte ebenso verwirren wie Werbekunden und User. Sie alle schauen nach San Francisco und wollen verstehen, wie es wohl weitergeht.

Blauer Haken künftig kostenpflichtig?

Emsig diskutiert wird etwa die beiläufige Erwähnung Musks, der "blaue Haken" an Twitter-Accounts solle künftig 20 Dollar im Monat kosten. Der blaue Haken symbolisiert: Dieser Account wurde verifiziert. Eine Art Bestätigung, dass das Konto tatsächlich der Person des öffentlichen Lebens (Politiker, Künstler, Journalisten, Prominente) gehört – oder der Marke oder Firma. Besondere Privilegien sind damit nicht verbunden. Der Haken zielt auf Vertrauen und Außenwirkung – soll aber künftig Geld kosten.

Viele User mit blauem Haken sagen schon jetzt: "Das ist es mir nicht wert!" , sofern keine anderen Vorteile damit verbunden sind. Cyber-Betrüger ließen sich die Chance nicht entgehen und haben jetzt Accounts mit blauem Haken angeschrieben: Sie müssten aktiv werden. Mit der Phishing-Attacke sollen die Zugangsdaten prominenter Accounts abgefangen werden. Missbrauch programmiert.

Deutlich mehr Hasskommentare registriert

Die Sorge vieler Menschen, Twitter könnte sich nach dem Aufkauf durch Musk zu einer Hetz-Schleuder entwickeln, scheinen sich zu bewahrheiten. Beobachter verzeichnen mit Sorgen, dass offenbar bei Twitter Maßnahmen gegen Desinformation und Hatespeech deutlich und erkennbar zurückgefahren werden.

Laut Medienberichten (Bloomberg) soll das Gros der Mitarbeitenden der verantwortlichen Abteilung "Trust and Safety" aktuell keine Sanktionen mehr verhängen können, sollten Twitter-Nutzer gegen Bedingungen verstoßen, die Hassrede und Falschinformationen regeln.

Werkzeuge für Mitarbeiter eingeschränkt

Normalerweise können Twitter-Angestellte in solchen Fällen Beiträge löschen oder Konten zeitweise oder dauerhaft sperren. Doch laut Bloomberg haben die meisten Mitarbeiter aktuell offenbar keinen Zugriff mehr auf die wichtigen internen Werkzeuge und Programme, um die Regeln der Plattform umzusetzen. Laut Medienberichten soll nur noch bei besonders weitreichenden Verstößen durchgegriffen werden können.

Die Folge: Nach der Twitter-Übernahme ist Beobachtern ein Anstieg von Tweets mit rassistischer Hassrede aufgefallen. Twitter zufolge kamen rund 50.000 solcher Tweets von nur 300 Accounts. Man gehe dagegen an.

Über den Autor

Jörg Schieb, WDR-Digitalexperte.

WDR-Digitalexperte Jörg Schieb

Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.

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