Es kommt was in Bewegung: Protest und Widerstand gegen Rechts und AfD
Aktuelle Stunde. 16.01.2024. 03:24 Min.. UT. Verfügbar bis 16.01.2026. WDR. Von Kristina Klusen.
Die Demokratie stärken - was kann ich dafür tun?
Stand: 16.01.2024, 20:45 Uhr
Die Demokratie ist in der Krise, das Vertrauen in Politik und Institutionen schwindet. Dennoch gehen derzeit Tausende Deutsche auf die Straße - gegen demokratiefeindliche Kräfte. Welche Möglichkeit gibt es noch, die Demokratie zu stärken?
Von Oliver Scheel
"Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen, die man von Zeit zu Zeit ausprobiert hat." Dieses berühmte Zitat, das der britische Staatsmann Winston Churchill 1947 formulierte, ist heute wieder sehr aktuell. Viele Menschen fühlen sich momentan von den demokratischen Institutionen nicht mehr vertreten, die Politik liefert nicht die Antworten auf ihre Fragen.
Inflation, Migration, Krisen und Kriege, gesellschaftliche Spaltung und die Klimakrise schreitet voran. All das verunsichert viele Bürger. Das Vertrauen in den Staat schwindet und demokratiefeindliche Kräfte versuchen, das Misstrauen gegen die Institutionen immer mehr in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.
Demos gegen Rechts finden großen Zulauf
Das geheime Treffen einer rechtsradikalen und rassistischen Gruppe, bei dem die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland besprochen wurde, hat nun aber zu einem Aufschrei geführt.
Die Demonstrationen gegen Rechts mobilisierten in vielen Städten wie in Essen und Leipzig weit mehr Teilnehmer als angemeldet waren. Der ARD-Deutschlandtrend fand heraus, dass 87 Prozent der westdeutschen und 77 Prozent der ostdeutschen Wahlberechtigten die Demokratie für eine gute Regierungsform halten. Der Rückhalt ist also da. Welche Möglichkeiten der Beteiligung gibt es?
Diese Möglichkeiten habe ich, um die Demokratie zu stärken
Wählen gehen: Wer an den demokratischen Wahlen teilnimmt, trägt zum Erhalt der Demokratie bei, wenn die Stimme für Parteien abgegeben wird, die den demokratischen Grundgedanken unterstützen. Die Teilnahme an der Wahl ist die einfachste und offensichtlichste Möglichkeit, sich demokratisch zu beteiligen.
Durch zivilgesellschaftliches Engagement bestehen viele weitere Partizipationsformen. Jeder kann sich Nichtregierungsorganisationen anschließen, die sich für eine stabile Demokratie einsetzen. Auch durch Petitionen oder das Anschreiben von Abgeordneten kann sich jeder Bürger an demokratischen Prozessen beteiligen.
Vorsicht bei Nachrichten in den sozialen Medien
Wer Falschnachrichten meldet, hilft der Demokratie
Gezielte Desinformationen und das Streuen von Fake News in den sozialen Netzwerken gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer im Netz auf Falschnachrichten hinweist, kann deren Verbreitung stoppen oder zumindest eindämmen. Ein kritischer Blick auf die Inhalte, eine kurze Recherche oder eine Überprüfung der Quelle kann schon helfen. Wer Zweifel hat, sollte eine Meldung nicht weiterleiten. Zweifelhafte und gesetzeswidrige Inhalte wie Hassbotschaften können in den sozialen Netzwerken gemeldet werden. Auch das hilft der Demokratie.
Bildung ist für den Fortbestand unserer Demokratie unerlässlich. Die meisten von uns sind mit der Demokratie groß geworden. Doch es ist nicht selbstverständlich, dass die Demokratie unsere Staatsform ist. Es gibt schulische und außerschulische Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche, in denen Kompetenzen vermittelt werden, die eine offene Gesellschaft fördern.
Ins Gespräch gehen
Demokratie ist zudem keine Einbahnstraße. Wenn die Politik die Demokratie im Land stärken will, muss sie ihre Handlungen und Entscheidungen erklären. Dazu ist Transparenz nötig. Umgekehrt haben Bürger die Möglichkeit, in einem Bürgerdialog mit Politikern in Kontakt zu treten. Initiativen wie "abgeordnetenwatch" oder "fragdenstaat" bieten eine Möglichkeit, sich über die Regierenden zu informieren und fördern die Transparenz.
Wer sich demokratiefeindlichen Kräften im Gespräch stellt, tut ebenfalls etwas für den Erhalt. Debatten sind Teil der Demokratie und Auseinandersetzungen gehören dazu. Es mag eine Schwäche der Demokratie sein, dass sie auch ihren Feinden zuhört und Raum bietet, aber der Dialog bietet auch die Chance, Menschen von der Idee der Demokratie zu überzeugen.
Es tut sich was - die Zivilgesellschaft ist stark
Erster Bürgerrat des Bundestags: Teilnehmer sitzen zusammen
Und es sind viele, die die Demokratie verteidigen. Der Konfliktforscher Tareq Sydiq von der Uni Marburg ist überrascht von der hohen Teilnahme an den derzeitigen Demonstrationen gegen Rechts. "Die Zahlen sind beeindruckend, weil es ja kaum Zeit für Mobilisierung gab", sagte er im Gespräch mit dem WDR. Seiner Meinung nach hat die hohe Beteiligung zwei Gründe: Zum einen die Empörung über die offen rechtsradikalen Gedanken, die bei dem Geheimtreffen geäußert wurden. Und zum zweiten der große Personenkreis, den dieser Zirkel aus Deutschland abschieben will. Es seien ja nicht nur Ausländer und Leute mit Migrationshintergrund betroffen, sondern auch Menschen, die Geflüchteten helfen.
Dass die Demokratie in Gefahr ist, ist auch der Politik schon lange bewusst. Daher wurde 2019 der "Bürgerrat Demokratie" ins Leben gerufen. Mit den Bürgerräten, die meist durch das Los bestimmt werden, soll die direkte Demokratie gefördert werden. Dieses Beispiel hat jetzt auch in Castrop-Rauxel seine Anwendung gefunden. Dort sollen 500 zufällig vom Rechenzentrum ausgewählte Personen eine Einladung zu einem Treffen erhalten, bei dem es um den Weg der Stadt in die Klimaneutralität vor 2040 geht. Die Stadt ist überzeugt, dass viele gute Ideen und Anregungen aus der Bevölkerung kommen.
Ein weiteres positives Beispiel ist der Bürgerwindpark Erwitte-Völlinghausen. Im Kreis Soest konnte mit einer Beteiligung der Bürger die Akzeptanz am Ausbau der Windenergie gesteigert werden. Die Bürgerbeteiligung ist sicher ein gutes Mittel, verloren gegangenes Vertrauen in die Institutionen zurückzugewinnen.
Unsere Quellen:
- Bundeszentrale für politische Bildung
- Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
- Bundestag.de zu Bürgerräten
- Deutschlandfunk Kultur
- ARD-Deutschlandtrend
- Tagesschau.de Mehr Windkraft durch mehr Beteiligung
- Ruhr-Nachrichten zu Bürgerbeteiligung in Castrop-Rauxel
- WDR5-Interview mit Politik- und Konfliktforscher Tareq Sudiq der Uni Marburg