Die Menschen sind vom Corona-Lockdown müde und genervt. Auch die Wirtschaft ächzt und fordert Öffnungsstrategien von der Politik. Gleichzeitig gibt es Regionen, in denen Mutationen des Coronavirus Sorge bereiten, in NRW zum Beispiel in Hamm, Wuppertal, Burscheid, Leverkusen, Radevormwald und Münster.
Andererseits sinken die Infektionszahlen. Da wäre es doch an der Zeit, Lockerungen vorzunehmen, denken viele Menschen. Selbst NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) räumte inzwischen ein, dass "alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder" auf Dauer nicht trage. Aber wie kommt man raus aus dem Kreislauf Lockdown und seine ständigen Verlängerungen?
Inzidenz: Wird die 10 die neue 35?
Eine schwierige Frage. Denn inzwischen gibt es Forderungen, die Beschränkungen des Alltags nicht schon bei einem Wocheninzidenzwert von 35 deutlich zurückzufahren, sondern erst bei 10 oder noch weniger. Dafür plädierte etwa Prof. Michael Hallek vom Kölner Uniklinikum in der "Aktuellen Stunde". Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) machte sich dafür am Mittwoch stark.
Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung "System Immunologie" am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, hält die von der Politik anvisierte Inzidenz von 35 Infektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern ebenfalls für problematisch - insbesondere mit Blick auf die Varianten des Coronavirus.
Forscher: Öffnungen bergen hohes Risiko
Sollte sich die Verbreitung der britischen Mutante B.1.1.7 ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es sogar sein, dass nicht einmal der Wert 35 mit dem aktuellen Lockdown zu erreichen sei, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Jede Form von Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt würde ein hohes Risiko bergen, die gesetzten Ziele zu verfehlen.
Mindestens zwei Pandemien
Meyer-Hermann sieht Deutschland inzwischen sogar "mit mindestens zwei Pandemien konfrontiert", durch die ursprüngliche Form des Coronavirus und zusätzlich durch seine Varianten. Die britische Mutante befinde sich "bereits wieder in einer Phase des exponentiellen Wachstums und die aktuellen Maßnahmen reichen nicht, um diese Entwicklung auszubremsen".
Die Expansion lasse sich aber durch Beibehaltung der aktuellen Maßnahmen abbremsen, so dass die Fallzahlen hinreichend sinken würden - wie im No-Covid-Konzept beschrieben. Darin wird für Inzidenzen um die 10 und weniger plädiert.
Auch WDR-Wissenschaftsredakteurin Ruth Schulz hält einen Inzidenzwert von 10 grundsätzlich für "ein gutes Ziel". Sie fragte am Dienstag aber auch, ob das realistisch sei: "Denn jetzt zeigt sich ja schon, dass die Zahlen nicht in dem Maße weiter sinken, wie man es eigentlich unter dem Lockdown erwarten würde. Und man muss auch noch abwarten, wie sich die Mutationen weiter verbreiten und ob sie wirklich zu mehr Ansteckungen führen."
Der Weg aus dem Lockdown, er wird kein leichter sein.