CDU kritisiert Scholz' Russlandpolitik: Wahlkampfstrategie für NRW?

Stand: 19.04.2022, 16:43 Uhr

Noch vier Wochen bis zur Landtagswahl, die Parteien geben Gas im Wahlkampf. Die CDU greift dabei auffällig oft die Russland-Politik von Bundeskanzler Scholz an - stellvertretend für die gesamte SPD.

Von Nina Magoley

Erst kam die x-te Welle der Pandemie, dann begann Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Für die Kandidatinnen und Kandidaten zur Landtagswahl NRW 2022 sind es harte Zeiten. Straßenstände, Händeschütteln, Wahlkampf möglichst bürgernah? In diesem Jahr lief für die Parteien bisher wenig nach Plan.

Mehrere Spitzenpolitiker, darunter auch der amtierende Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), mussten sich zeitweise auch noch durch eine Coronainfektion ausbremsen lassen. Seit 2. April hängen aber immerhin landesweit die Wahlplakate - und die Kandidaten scheinen nun umso mehr auf die Tube drücken zu wollen.

Krachende Niederlage im Saarland

Für die CDU steht dabei die nächste Zitterpartie an. Die krachende Niederlage der Christdemokraten im Saarland hat gezeigt, dass deren Abwärtskurs noch lange nicht gebremst ist. Umso auffälliger wird jetzt gerade ein Trend im CDU-Wahlkampf: Statt ihren politischen Gegner über deren Kompetenzen zu wichtigen Themen zuhause in NRW anzugreifen - Schule, Umwelt, Digitalisierung - geht es aktuell häufig darum, was die Sozialdemokraten auf Bundesebene so abliefern.

So attestierte Wüst der SPD in der "Rheinischen Post" von Dienstag pauschal ein "nachhaltiges Putin-Problem". Bezüglich Russland habe die Partei eine "zu große Nähe der Vergangenheit", die die Sozialdemokraten bis heute zu lähmen scheine, anstatt "endlich klar gegenüber dem Aggressor Russland" aufzutreten.

Wüst setzt Scholz' Handeln gleich mit SPD

hendrik wüst, 19.04.2022

Ministerpräsident Wüst: "SPD hat Putin-Problem"

Dem WDR gegenüber wiederholte Wüst am Dienstagmittag seinen Vorwurf: Es sei "ja ganz offensichtlich", dass "aufgrund der Vergangenheit eine besondere Nähe seitens der SPD zu Russland und zu Putin besteht und man vermutlich auch deswegen gerade sich schwer tut, entschlossen zu handeln". Eine steile, sicherlich medienwirksame Behauptung angesichts des zunehmend grausamen Verhaltens des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Ukraine-Krieg.

Politiker mehrerer Parteien werfen SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz zwar seit Tagen gefährliches Zaudern gegenüber der Ukraine vor. Wüst aber bricht diese explizit persönliche Kritik an Scholz jetzt runter auf die gesamte Partei: Mit ihrer "gebremsten und zu späten Unterstützung" der Ukraine isoliere die SPD Deutschland von Tag zu Tag mehr in Europa, sagte er der Zeitung. Der "Zauder-Kurs der SPD und des Kanzlers" müsse ein Ende haben.

Wüsts Gegenkandidat, der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty, reagierte prompt: "Wir haben kein Putin-Problem", erklärte er auf WDR-Nachfrage, "Herr Wüst hat offensichtlich ein großes Wahlkampfproblem, sonst würde er einen solchen Mist jetzt nicht erzählen". Er verbitte sich solche Kommentierung von Herrn Wüst, sagte Kutschaty sichtlich empört am Dienstagmittag, dessen Äußerungen entbehrten jeglicher Grundlage.

Parteienforscher: "Normales Wahlkampfgetöse"

Für den Politikwissenschaftler und Parteienforscher Martin Florack ist das ganz normales Wahlkampfgetöse. "Solche Zuspitzungen gehören dazu", sagt er, "umgekehrt würde die SPD es sicherlich ganz genauso machen". Zudem sei die Union in dem Dilemma, dass sich derzeit die großen Parteien zum alles dominierenden Thema Ukrainekrieg ohnehin im Grundsatz alle relativ einig seien. "Da muss sich die CDU schon auf Details stürzen, um eine Konfrontation aufbauen zu können."

Der Politikwissenschaftler Martin Florack

Politikwissenschaftler Martin Florack

Vor dem Hintergrund der Schreckensmeldungen aus der Ukraine komme der Landtagswahlkampf in NRW ohnehin erst auf den letzten Drücker in Fahrt. "Bislang hat sich das Thema ja fast versendet." Jetzt bleibe nur noch wenig Zeit, "und da muss es schrill sein, muss zugespitzt werden, das ist normal".

Und: Ganz "aus dem luftleeren Raum" komme die Feststellung, dass die SPD in der Vergangenheit auf gute Beziehungen zu Russland Wert legte, ja auch nicht, fügt Florack hinzu. Angesichts der Brutalität von Putins Kriegsführung erscheinen diese Beziehungen in einem anderen Licht. Das mache sich die CDU nun zunutze - lasse dabei aber unerwähnt, welche Rolle die Unionsparteien und Kanzlerin Angela Merkel 16 Jahre lang bei der Entstehung des nun ausgebrochenen Konflikts spielten.

CDU-Generalsekretär räumt Wahlkampfstrategie ein

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hatte daher am Montag indirekt eingeräumt, dass es sich beim auffälligen Aktionismus einzelner CDU-Politiker jetzt nicht nur um das reine Bedürfnis handeln könnte, sich zur aktuellen Lage zu äußern: "Wie bei jeder Landtagswahl geht es auch hier zunächst um landespolitische Themen", sagte Czaja der Deutschen Presseagentur, "aber natürlich ist es auch für uns als Partei wichtig, dass die beiden Ministerpräsidenten ihre Arbeit fortsetzen können. Und da gibt's jede Unterstützung, die wir geben können".

Löttgen unterstellt "Russlandconnection"

Folgerichtig spielen nun noch einige andere CDU-Spitzenpolitiker die "bundespolitische Klaviatur", wie Politikforscher Florack es nennt. So schießt auch der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Bodo Löttgen, ohnehin für seine eher raue Tonart bekannt, kontinuierlich gegen die Ukraine-Politik des SPD-Kanzlers. Und nimmt dafür die gesamte Partei in Haftung.

Als "bemerkenswert" retweetete Löttgen so zuletzt eine Nachricht, aus der deutlich wird, dass die SPD im EU-Parlament mehrheitlich gegen eine Abschaltung russischer Propagandkanäle wie Russia Today gestimmt hatte. Die Abstimmung hatte allerdings bereits Anfang März stattgefunden.

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Ebenso gefiel Löttgen der Tweet des CDU Kreisvorsitzenden Aachen Land, Hendrik Schmitz, der schrieb: "Sorry #SPD, das @MelnykAndrij eure Party stört. Aber ihr bekommt vor lauter Selbstbeweihräucherung nicht mit, das es mit der 'Hilfe' so nicht klappt und ihr Deutschland zum Bremsklotz der westlichen Welt macht."

SPD-Politiker wie die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoğuz hatten den umstrittenen ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk für seine "Attacken" auf deutsche Politiker kritisiert.

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Auch andere CDU-Politiker aus NRW sparen nicht an Kritik an der zögerlichen Haltung des Bundeskanzlers im Ukraine-Krieg - und meinen damit oft die SPD an sich. "Der Bundeskanzler will nicht liefern, sagt es aber nicht, sondern trickst", erklärt der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen. "Ich weiß nicht, wann eine Bundesregierung schon einmal größeren außenpolitischen Schaden verursacht hat als in der gegenwärtigen Lage, in der es schicksalhaft um die Zukunft Europas geht."

Im Deutschlandfunk forderte Röttgen den Rücktritt von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wegen ihrer Verwicklungen im Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2.

Merz kennt Interna aus der SPD

Der Sauerländer CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz widmet sich Verwerfungen, die er innerhalb der SPD ausgemacht haben will - ebenfalls auf Bundesebene. "Der Bundeskanzler wird mittlerweile aus den eigenen Reihen als 'Zauderer' bezeichnet", erklärte er auf Twitter. Scholz' Schweigen werde zu einer "Belastung der gesamten internationalen Solidarität gegen den Angriffskrieg von Russland". Und dann der Wink mit dem Zaunpfahl an alle Wählerinnen und Wähler: Es gebe "eine Mehrheit im Deutschen Bundestag auch für schwere Waffen an die Ukraine, jenseits von SPD, AfD und Linkspartei".

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Nach ihrem Debakel bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr geht es für die CDU jetzt um Einiges. Im Mai steht außer in NRW auch noch in Schleswig-Holstein die nächste Zitterpartie an.