Links ein Radfahrer in Köln, rechts eine Stoppuhr mit einer Zeit von 15:00 Minuten.

In 15 Minuten zum Arzt oder Bäcker? So klappt's in NRW

Stand: 19.09.2024, 16:00 Uhr

Eine neue Analyse zeigt, wie schnell wir einen Supermarkt oder einen Arzt erreichen. Das soll in 15 Minuten klappen. Geht das?

Mal ehrlich: Was erreicht ihr alles in 15 Minuten - zu Fuß oder mit dem Rad? Ist da alles dabei, was ihr braucht: ein Supermarkt, ein Friseur, eine Ärztin, die Schule oder ein Kino? Eigentlich ist es das Ziel moderner Stadtplaner, das Jeder und Jede die Einrichtungen des täglichen Bedarfs in 15 Minuten erreicht.

In Paris zum Beispiel klappt das bereits sehr gut: Mehr als 90 Prozent der Menschen kommen da in einer Viertelstunde zu Fuß oder per Rad zu allem, was sie so brauchen. Weltweit gesehen sind die meisten Menschen von diesem Ziel aber weit entfernt, zeigt eine neue Analyse.

Ein brasilianisch-italienisches Forscherteam hat dafür unter anderem Daten von Open Street Maps analysiert und geschaut, wie Firmen, Apotheken und Geschäfte in Städten verteilt sind. Herausgekommen ist eine interaktive Karte für rund 10.000 Städte.

Am besten schneiden dabei europäische Städte ab: In Zürich, Mailand, Kopenhagen, Berlin oder München brauchen die Menschen knapp acht Minuten.

Aber auch die 17 Städteregionen in NRW, die die Forscher untersucht haben, sind gut erschlossen: Die meisten Einrichtungen sind gut und schnell erreichbar – zumindest, wenn man im Stadtzentrum wohnt.

Eher schlecht sieht es für die aus, die an den Stadträndern und in ländlichen Gebieten wohnen: Da bleibt die 15-Minuten-Stadt ein unerfüllbares Versprechen. Auch, weil es immer weniger Landärzte gibt und Supermärkte sich zentral in größeren Städten ansiedeln.

Zwei Karten zeigen, wie gut lange man in Bielefeld und Iserlohn braucht, um verschiedene Angebote des öffentlichen Lebens zu erreichen.

Von blau (kurze Wege) bis rot (lange Wege): So gut erreicht man in Bielefeld und Iserlohn Angebote des öffentlichen Lebens.

Prof. Stefan Siedentop forscht an der TU Dortmund zum Thema Stadtentwicklung. Er hat bereits im vergangenen Jahr zusammen mit seinem Kollegen Christian Gerten genau dieses 15-Minuten-Versprechen für Nordrhein-Westfalen untersucht.

Das Ergebnis: Nur etwa ein Drittel der Menschen in NRW kann eine Grundschule, ein Geschäft des Einzelhandels, einen Lebensmittelladen und eine Apotheke mit einem Fußweg von maximal 15 Minuten erreichen.

"Wer dagegen in Vororten oder auf dem Land wohnt, muss entweder längere Fußwege in Kauf nehmen, das Fahrrad nutzen oder auf motorisierte Verkehrsmittel zurückgreifen", sagt Siedentop.

"30-Minuten-Land"

Das Problem: Es gibt immer weniger Supermärkte, Ärzte oder Bäcker, die Versorgung wird schlechter. Doch: "So sehr sich das viele Menschen auch wünschen mögen: Der Dorfbäcker, die Dorfschule oder der kleinstädtische Haushaltswarenladen kehren nicht zurück", sagt Prof. Siedentop.

Deswegen schlägt der Forscher etwas anderes vor: das "30-Minuten-Land". Und zwar zusätzlich zur "15-Minuten-Stadt". Das soll vor allem durch einen flächendeckenden Ausbau des ÖPNV gelingen, also durch mehr Busse und Bahnen.

Der ÖPNV ist definitiv besser als sein Ruf. Im ländlichen Raum wird vielerorts eine Grundversorgung angeboten, auch wenn die Taktfrequenzen oft zu wünschen übrig lassen. Das muss definitiv besser werden. Prof. Dr. Stefan Siedentop

Mit mehr Linienfahrten und flexible Angebote nwie Anruf-Sammel-Busse oder -taxen. Oder Schnellbusse mit weniger Stopps. Dadurch sollen künftig ALLE Menschen in NRW Ärzte, Supermärkte und Schulen in nicht mehr als 30 Minuten erreichen - auch im tiefsten ländlichen Raum.

Prof. Dr. Stefan Siedentop

Prof. Dr. Stefan Siedentop

Eine wirkungsvolle Mobilitätswende entscheide sich nicht nur in Berlin, München oder Köln, sondern auch in den Randzonen der Großstädte und den ländlichen Räumen, sagt Prof. Siedentop. "Wo immer möglich, sollten die Menschen für ihre Versorgung zu Fuß gehen oder das Rad nehmen können. Für wen und wo das aber im Alltag keine Option ist, für den müssen zuverlässige Alternativen zum Auto her. In einer dynamisch alternden Gesellschaft wird dies zukünftig noch wichtiger sein."

Dass es dagegen immer weniger Supermärkte auf dem Land gebe, könne er der Politik nicht vorwerfen. "Da gilt der freie Markt", sagt Siedentop. Positiv bewertet er dagegen die sogenannte Landarztquote. Seit 2019 lockt das Land damit junge Menschen, deren Abiturschnitt nicht für ein Medizin-Studium ausreicht.

Sie können trotzdem ihr Wunschfach studieren, wenn sie sich vertraglich verpflichten, mindestens zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. "Das geht in die richtige Richtung." Dazu brauche es eine gute Breitbandversorgung, um die digitale Medizin auszubauen, so Siedentop.

Damit perspektivisch alle Menschen versorgt werden - frühestens in 15, spätestens aber in 30 Minuten.

15-Minuten-Stadt - Wie klappt das in NRW?

WDR Studios NRW 19.09.2024 03:38 Min. Verfügbar bis 19.09.2026 WDR Online


Quellen:

Über dieses Thema berichtete der WDR am 19.09.24 auch im News-Podcast "0630".