NSU-Urteil: Die Taten und Opfer aus NRW

Stand: 11.07.2018, 14:10 Uhr

  • Urteile im NSU-Prozess in München gefällt
  • Verhandelt wurden auch drei Taten aus NRW
  • Für Opfer und Hinterbliebene bleiben viele Fragen offen

Von Dominik Reinle

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Im NSU-Prozess, der am Mittwoch (11.07.2018) nach über fünf Jahren in München endete, ging es auch um drei Taten in NRW. Die Bundesanwaltschaft hat sie 2012 in ihrer Anklageschrift aufgeführt: In Köln wurden bei zwei Bombenanschlägen über 20 Menschen verletzt, in Dortmund starb Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk durch Kopfschüsse.

Der NSU-Prozess in München

Im NSU-Prozess wurden zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Banküberfälle verhandelt, die der selbsternannte "Nationalsozialistische Untergrund" begangen hat.

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gilt als einziges lebendes Ex-Mitglied dieser rechtsextremen Terrorzelle. Ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nahmen sich im November 2011 das Leben.

Zschäpe wurde am Mittwoch (11.07.2018) zu lebenslanger Haft verurteilt. Als NSU-Unterstützer verurteilt wurden auch die Mitangeklagten Ralf Wohlleben (zehn Jahre Haft), Carsten S. (drei Jahre Jugendstrafe), André E. (zwei Jahre und sechs Monate) und Holger G. (drei Jahre Haft).

Falsche Verdächtigungen

Was die Opferfamilien erleben mussten, wurde am 51. Verhandlungstag deutlich. Elif und Gamze Kubaşık aus Dortmund, Mutter und Tochter des achten NSU-Mordopfers, waren im November 2013 als Zeugen geladen.

Elif (l.) und Gamze Kubasik, Mutter (l.) und Tochter von Mehmet Kubaşık, beim NSU-Opfertreffen am 30.11.2015 in Dortmund

Elif und Gamze Kubaşık

Sie schilderten, wie auf die Todesnachricht 2006 der zweite Albtraum folgte. Die Polizei habe sie verdächtigt. "Dass wir mit Mafia zu tun hätten, mit Drogengeschichten. Dass die Ermordung mit Frauengeschichten zu tun hätte - solche Gerüchte sind in die Welt gesetzt worden", sagte Elif Kubaşık.

Rechte Täter ausgeschlossen

Am 118. Verhandlungstag im Juni 2014 beschrieb Mashia M., wie sie 2001 im Kölner Kiosk ihres Vaters Opfer eines Bombenanschlags wurde. Sie hatte damals ein angebliches Weihnachtsgeschenk geöffnet und wurde durch eine Explosion schwer verletzt.

Die Polizei habe gesagt, sie sei ein Zufallsopfer. Rechtsextreme Täter seien ausgeschlossen worden. Erst nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 habe sie durch die Bekenner-DVD die Wahrheit erfahren. Mashia M. kritisierte die Ermittlungen: "Ich bin teilweise geschockt und entsetzt, wenn ich mir das heute anschaue."

Nicht ernst genommen

Auch die mehrtägige Befragung der Opfer der Kölner Nagelbombe im Januar 2015 ergab Ähnliches. Die Zeugen sagten aus, die Polizei habe nicht gegen rechte Terroristen, sondern gegen sie selbst und ihr Umfeld ermittelt.

Nägel der Nagelbombe, die am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße explodiert ist

Über 700 Nägel wurden in der Kölner Keupstraße gefunden

"In dem Moment, wo die Bombe explodierte, bin ich zu Boden gerissen worden", erinnerte sich Arit Sardic am 175. Verhandlungstag. "Ich habe sofort gewusst, das können nur Neonazis gewesen sein, das habe ich immer wiederholt."

Offene Fragen

Die Opfer und Angehörigen hatten gehofft, im Prozess mehr über die Tathintergründe zu erfahren. Doch sie wurden enttäuscht. Stellvertretend beklagte die Witwe von Mehmet Kubaşık im Zuge der Plädoyers im November 2017 eine unzureichende Aufklärung der Verbrechen.

"Hier im Prozess sind meine Fragen nicht beantwortet worden", sagte Elif Kubaşık am 389. Verhandlungstag. "Warum Mehmet? Warum ein Mord in Dortmund? Gab es Helfer in Dortmund?" Unklar sei auch, was der Staat über den NSU gewusst habe.

Zu dieser Aufklärung hätten Beate Zschäpe und die vier anderen Angeklagten beitragen können - doch sie schwiegen. Die Urteile begrüßten viele Angehörige - aber sie forderten auch, dass die Aufarbeitung weitergehen müsse.

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