Anfang der 1950er Jahre hat Bundespräsident Theodor Heuss mit vielen seiner Landsleute eines gemeinsam: Er kann nicht Autofahren. Das bekennt er freimütig in seiner Eröffnungsrede am 19. April 1951 auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Damals ist die Bundesrepublik auch produktionstechnisch eher noch Diaspora. Gerade einmal 370.000 Pkw und Lkw rollen hier im Jahr vom Fließband, nur vier Prozent der Weltproduktion.
Natürlich muss Heuss gar nicht fahren können. Als Bundespräsident wird er ja gefahren. Und so sind seine Ratschläge in seiner Rede auch sehr praktisch-politischer Natur. Er tadelt die deutschen Autobauer dafür, dass ihre Fahrzeuge für längere Strecken zu unkomfortabel seien. Und er appelliert an die Brummifahrer, Elefantenrennen auf der Autobahn zu unterlassen. "Mir scheint, dass das Bedürfnis, jemanden zu überholen, ein Urbedürfnis der menschlichen Seele ist", lenkt er zunächst ein. Aber dann bremst er aus: "Wenn die Lastkraftwagen-Züge auf einmal, wenn die Autobahn ansteigt, auf die Idee kommen, ein Rennfahren zu veranstalten", sei dies "höchst ärgerlich".
Käfer mit Leopardenfell
"Was ist neu? Ist das besser? Was kostet denn die Geschichte?" Mit diesen drei Leitfragen fasst Heuss das Interesse der IAA-Besucher treffend zusammen. Die sind vor allem an Innovationen des Marktes in einem Land interessiert, das nach 1945 im Automobilbau erst einmal mit veralteter Technik startet. Noch die erste deutsche Nachkriegsschau am traditionellen Standort Berlin 1950 ist davon geprägt. Am Verkehrsknotenpunkt Frankfurt soll es ein Jahr später innovativer werden. Präsentiert werden der erste Lkw mit Diesel-Turbolader, Pontonkarosserien ohne aufgesetzte Kotflügel oder Trittbretter und neue Kleinwagenmodelle wie der Lloyd LP 300 aus Bremen.
"Lackfunkelnd und chromglitzernd" ist die Präsentation auf der IAA laut Presseauskunft schon. Und doch im Vergleich zu dem, was später kommt, bescheiden. Statt Hostessen stehen Schaufensterpuppen in den Gängen, die Verpflegung für Aussteller und Besucher besteht aus selbstgeschmierten Stullen. Selbst der sensationelle Luxus ist eher kleinformatig: Zu sehen ist unter anderem eine Spezialanfertigung eines VW Käfer für den abessinischen Kaiser Haile Selassi mit Elfenbein, Blattgold und Leopardenfell.
"Die größte Autoschau, die Frankfurt je gesehen hat"
Zur ersten Frankfurter IAA kommen rund 570.000 Besucher: größtenteils wohl Fahrrad- und Motorradfahrer, die sich selbst die günstigen Kleinwagen noch nicht leisten können. Mit dem Wohlstand wächst auch die Messe - ein deutliches Abbild der bundesdeutschen Autoproduktion. Die hat sich zur IAA 1955 schon verdreifacht. Bis 1961 ist eine Steigerung um das Fünffache zu verzeichnen. Aus Deutschland kommen jetzt 14 Prozent der Weltproduktion - ein Rekord bis heute. 1967 kommt dann der erste Konjunkturknick, nicht zuletzt wegen billiger Konkurrenz aus Japan. Die IAA antwortet mit einer Jetzt-erst-recht-Strategie: Es wird laut einem zeitgenössischen WDR-Bericht "mitten in einer Absatzflaute die größte Autoschau, die Frankfurt je gesehen hat".
1971 fällt die IAA im Rahmen der Ölkrise aus - zum bisher einzigen Mal. 1989 kommen 1,2 Millionen Besucher. Inzwischen sind die Messen für Pkw und Lkw getrennt und finden im Wechsel alle zwei Jahre jeweils in Frankfurt und Hannover statt. Auch die Hostessen sind weitgehend wieder verschwunden: Immerhin sind inzwischen ein Drittel der Interessenten weiblich.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. April 2016 ebenfalls an die erste Internationale Automobilausstellung. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.