"Zurzeit können sich weniger als 20 Prozent der Weltbevölkerung ein Auto leisten", sagt Renault-Chef Louis Schweitzer im Mai 2002 in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". "Wenn wir aber für Wachstum in der Automobilindustrie sorgen wollen, dann müssen wir neue Kunden finden." Die Vision des Vorstandsvorsitzenden: Ein 5.000-Euro-Auto von Renault soll die Märkte in den aufstrebenden Schwellenländern erobern.
Um dieses Ziel zu erreichen, kalkuliert Renault vor allem mit den niedrigen Löhnen in Rumänien. Dort hatte der Konzern 1999 zunächst die Hälfte und später alle Anteile des einstigen staatlichen Autobauers Dacia übernommen. Die Verbindung zwischen Frankreich und Rumänien hat Tradition: Bereits während der Diktatur von Nicolae Ceausescu wurden bei Dacia mit Renault-Lizenzen Modelle der Franzosen hergestellt.
Durchschnittslohn von 200 Euro monatlich
Zusätzlich verzichtet Renault bei der Produktion auf teure Roboter und ersetzt sie durch billige Handarbeit. "Wir müssten sehr weit nach Osten gehen, um günstigere Bedingungen zu finden", sagt Dacia-Direktor Francois Furmont. "Vielleicht in Ländern wie Indien oder China, aber dort gibt es andere Faktoren, die sich nachteilig auswirken." Auch Zulieferer müssen vor Ort produzieren. Motoren und Fahrgestelle werden von Renault übernommen, wenig wird eigens entwickelt. Es gibt nur ein Modell und kaum Extras. Ab dem 9. September 2004 rollt in Pitesti, nordwestlich von Bukarest, der Dacia Logan vom Band.
Es entstehen durch Logan-Produktion in Rumänien zwar 10.000 neue Jobs. Aber das Auto, das die Dacia-Arbeiter zusammenbauen, können sie sich nicht leisten. Ihr Durchschnittslohn liegt bei 200 Euro im Monat. Gewerkschafter wie Ion Iondache sind trotzdem optimistisch: "Die Arbeiter von den Dacia-Werken sind die ersten in Rumänien, die die Erfahrung machen, unter besseren Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Die große Hoffnung ist jetzt, dass auch die Löhne steigen." Einige Streiks später liegt der Lohn mittlerweile bei 650 Euro monatlich - deutlich mehr als im rumänischen Durchschnitt.
Verkaufserfolg in Deutschland
Westeuropa ist zunächst nicht als Absatzgebiet vorgesehen, doch die Nachfrage ist aufgrund der Wirtschaftsflaute groß. Im Juni 2005 wird der Dacia Logan offiziell in Deutschland eingeführt - für 7.200 Euro. Der Durchbruch auf dem deutschen Markt kommt mit der Weltwirtschaftskrise, als 2009 alle Hersteller von Kleinwagen von der sogenannten Abwrackprämie profitieren. Dacia unterstützt den Trend zu kostengünstigen Autos mit einer Marketing-Kampagne. Aus dem Billigauto macht die Werbung ein positives Statement: ein Protest gegen das Auto als Statussymbol.
Ende 2013 sind weltweit bereits 2,8 Millionen Logans verkauft. Darüber hinaus erschließt die Marke für den Konzern auch neue Käuferschichten: 40 Prozent der deutschen Kunden kaufen zum ersten Mal einen Neuwagen, viele wechseln von anderen Marken. Inzwischen gibt es sieben Modelle. Viele Kunden in Westeuropa kaufen nicht nur die Basisversion, sondern gut ausgestattete Autos. Zur Freude des Konzerns: "Am Grundmodell verdient er vielleicht ein oder zwei Prozent", sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. "Bei den Zusatzausstattungen liegen die Margen eher bei 30 bis 40 Prozent." Auch andere Hersteller wollen inzwischen mit Billigautos Geld verdienen. VW will ab 2016 eines anbieten. Renault setzt derweil weiter auf regionale Märkte: In Asien reaktiviert das Unternehmen die Marke Datsun und in Russland geht bald ein Lada mit Dacia-Technik an den Start.
Stand: 09.09.2014
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