27.05.2020 – Bayreuther Festspiele in der Krise
Stand: 27.05.2020, 12:25 Uhr
Die deutsche Festivallandschaft liegt darnieder und ist dennoch aktiv. Vor einigen Tagen fand ein Positionspapier des neu gegründeten Forum Musik Festivals bundesweite Beachtung; darin fordern die Festivalleiter in der Corona-Krise u. a. eine Gleichbehandlung mit dem Sport, den Kirchen und der Wirtschaft und weisen auf die besonders prekäre Situation in der Kultur hin. Fast 100 Festivals haben sich diesem Papier angeschlossen. Stand Mitte April mussten für 2020 fast alle abgesagt werden oder befanden sich in einer unklaren Situation, selbst solche, die erst im Herbst stattfinden sollen. Auch die Bayreuther Festspiele haben - anders als die Salzburger Festspiele - schon Ende März die Reißleine gezogen (Opernblog 01.04.2020).
Die Bayreuther Festspiele sind aber auch intern in einer instabilen Lage. Ende des Jahres verstarb der langjährige Pressesprecher Peter Emmerich, der nach außen so etwas wie den ruhenden Pol der Festspiele verkörperte. Er wurde inzwischen durch Hubertus Herrmann ersetzt, dessen Aufgabe vor allem darin bestand, Schreckensnachrichten nach außen zu verbreiten: erst die Absage der Festspiele, dann die schwere Erkrankung der Festspielleiterin Katharina Wagner, die bis auf weiteres ausfällt. Von der Seite mischte sich der Musikdirektor der Festspiele, Christian Thielemann, ein und verkündete in eine Art Entwarnung bezüglich des Gesundheitszustandes der Festivalleiterin, die aber gleich wieder zurückgenommen werden musste. Wie es Katharina Wagner geht, weiß man nicht.
Katharina Wagner, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele
Anfang der Woche kam die nächste Nachricht: der kaufmännische Geschäftsführer Holger von Berg geht. Seine Stelle ist zum 1.4.2021 bereits ausgeschrieben. Er folgte 2016 auf Heinz-Dieter Sense, der inzwischen erneut an Bord ist und Katharina Wagner während ihrer Krankheit vertritt. Ein kaufmännischer Geschäftsführer wurde damals installiert, um die beiden Festivalleiterinnen aus dem Wagner-Stamm, Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier (letztere war bis 2015 im Amt), auf die Finger zu schauen und zu entlasten, weil sie mit dem Kaufmännischen offensichtlich überfordert waren. Ganz anders als der Patriarch Wolfgang Wagner, der den Laden über ein halbes Jahrhundert lang wie ein Familienunternehmen hemdsärmelig führte. Holger von Berg sagte bei seinem Amtsantritt: „Es muss sich einiges ändern. Aber gut Ding will Weile haben.“ Viele Mitarbeiter im Haus seien noch in den alten Strukturen verwurzelt…".
Da er von außen kam, musste er (und sollte) das wohl so sehen. Nach außen ist Holger von Berg nicht groß in Erscheinung getreten. In seine Zeit fällt die Steuerung der Sanierung des Festspielhauses, die Verstärkung des Onlinekartenverkaufs, die Einführung des Premieren-Preisaufschlags und dies und das wie die Einzäunung des Festspielgeländes aus Sicherheitsgründen.
Holger von Berg, kaufmännischer Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele
Ich habe ihn seinerzeit, als ich Dramatrug in Bayreuth war, auch als Mitarbeiter erlebt, und zwar in einer Mischung aus Freundlichkeit und schwer einzuschätzender, sagen wir einmal, professioneller Distanziertheit. Er gebärdete sich jedenfalls nicht als Wagnerianer, der zu Darstellern, Dirigenten und Regisseuren stets eine Meinung kundtut, ohne sie aussprechen zu müssen. Man könnte auch sagen: er pflegte eine klare Beschränkung auf seine Zuständigkeit fürs Kaufmännische.
Und dann gibt es ja noch die Personalie Christian Thielemann. Er ist der Musikdirektor, eine Position, die 2015 extra für ihn geschaffen wurde. Er hat, wenn im Festspielbezirk weilt, zu allem eine Meinung. Sein Vertrag läuft im Herbst aus. Ob er verlängert werde, sei unklar, hört man von dem neuen Pressesprecher. Unklar war aber auch all die Jahre, welche Aufgaben sich mit dem Amt des Musikdirektors konkret verbinden. Damals hieß es, er solle sich um Sängerbesetzungen kümmern, um das Orchester und als Einspring-Dirigent zur Verfügung stehen.
Christian Thielemann, Musikdirektor der Bayreuther Festspiele
Bayreuth ist ja immer für Meldungen jenseits des rein Künstlerischen gut. Aber so geballt kam es noch nie.
Im Vergleich dazu stehen die Salzburger Festspiele stabil da: sie finden tatsächlich statt. Im Juni soll das reduzierte Programm bekannt gegeben werden