19.01.2025 – Florian Fischer, Kerstin Grübmeyer und Malcom Kemp, "Oppenhoff. Mohren. Cohn" in Aachen
Stand: 19.01.2025, 09:30 Uhr
Wie kann man Haltung bewahren, ohne gleich zum Widerstandskämpfer zu werden? Wie hätten wir uns im NS-Regime verhalten gegenüber bedrohten jüdischen Mitbürgern, denen man von Angesicht zu Angesicht begegnet? "Oppenhoff. Mohren. Cohn" ist ein Theaterstück mit Musik, in dem reale historische Figuren in der Grenzstadt Aachen gezeigt werden, die im NS-Alltag lauten und leisen Widerstand leisteten.
Z.B. der katholische Jurist Franz Oppenhoff, der Priester und Ordensleute verteidigte, von den Alliierten 1944 als Oberbürgermeister von Aachen eingesetzt wurde und ein Jahr später von der SS ermordet wurde. Ein anderer war der Kommunist und Bergarbeiter Josef Mohren aus Würselen, der tote amerikanische Soldaten barg und bestattete oder die katholische Christin Ingeborg Kaufmann, die bei ihren Prozessionen jüdische Flüchtende nach Belgien schleuste. Schließlich Marianne Cohn, die über ein Netzwerk hunderte von Kindern rettete, bevor sie selbst ermordet wurde.
Diese Personen finden in dem Stück zusammen in einer fiktiven Flucht- und Bergungsgeschichte. Der Rechtsanwalt will Emy Roeders Skulptur "Die Schwangere", die zur entarteten Kunst gezählt wurde, über die Grenze bringen. Willi, der Gehilfe von Ingeborgs Kaufmanns Vater will ebenso fliehen wie Marianne Cohn, die es hier offenbar nach Aachen verschlagen hat und in Josef Mohren einen Beschützer gefunden hat. Vater Kaufmann ist unentschlossen, ob er seinen LKW zur Verfügung stellen soll, weil er Angst hat.
Das Ganze wird gegliedert durch zahlreiche eingestreute Songs, die von einer Band um den Komponisten und Gitarristen Malcolm Kemp geleitet wird, der die Theatermusik am Schauspiel Aachen betreut. Das können nur kurze gesungene Statements sein oder auch bekannte Widerstandslieder wie das bekannte "Brot und Rosen" der Frauenbewegung, der 70er-Jahre-Protestsong "Weht euch, leistet Widerstand", das jiddische Partisanenlied "Sage nie, du gehst den allerletzten Weg" oder ein Lied der Edelweißpiraten - das war eine jugendliche Widerstandsgruppe im Kölner Raum.
Auf diese Weise gerät der Abend fast zu einer Art von antifaschistischem Musical, allerdings ohne Bühnenshow und Glitzerbilder. Im Hintergrund agiert die Band mit Schiebermützen. Die Darsteller sind sparsam nur durch zeittypische Kleidung gekennzeichnet. Man hört immer wieder Sätze, die unter die Haut gehen wie den von der Jüdin Marianne. "Keiner kann sich vorstellen, dass niemand etwas tut? Und das ist unser Todesurteil." Aber trotz solcher sprachlichen Akzente, trotz der Gliederung und Beschleunigung durch die Musik wirken die 100 Minuten ohne Pause etwas breit angelegt, und die fiktive Geschichte ist nicht wirklich spannend, bis kurz vor Schluss, als alle 7 Darsteller an die Rampe treten, nun ihre wahren erschütternden Biographien skandieren und den Anfangssong "Fangen wir an" noch einmal singen, nun eindringlich hämmernd "Fangen wir endlich an", als Appell, dass ein leiser oder auch lauter Widerstand auch von uns einmal gefordert sein könnte.
Uraufführung 18.01.2025, noch bis zum 28.03.2025
Besetzung:
Franz Oppenhoff: Torsten Borm
Josef Mohren: Jonas Dumke
Marianne Cohn: Luise Berndt
Bruno Kaufmann: Philipp Manuel Rothkopf
Inge Kaufmann: Anastasia Kostur
Willi: Luc Schneider
Ein NS-Beamter, ein Wirt, ein Kioskbesitzer, ein Schleuser: Benedikt Voellmy
Musikalische Leitung und Gitarren: Malcolm Kemp
Piano/Keyboard: Gero Körner
Kontrabass: Johannes Voss
Schlagzeug: Samuel Reissen
Regie: Florian Fischer
Bühne: Katharina Pia Schütz
Kostüme: Marcus Karkhof
Licht Dirk Sarach-Craig
Dramaturgie: Kerstin Grübmeyer