Über Geld spricht man nicht, heißt es. Die Mehrheit der Deutschen hält sich offenbar an dieses alte Sprichwort: Laut einer Umfrage im Auftrag der Postbank aus dem Jahr 2021 halten 70 Prozent Geld für ein Tabuthema, über das man nur im engsten Familien- oder Freundeskreis spricht.
Auf der Digitalmesse re:publica in Berlin steht ab Montag trotzdem das liebe Geld im Mittelpunkt: Wird es schon bald einen digitalen Euro geben? Sind Scheine und Münzen ein Auslaufmodell? Welche Chancen und Risiken hätte ein völliges Umdenken beim Zahlungsverkehr? Fragen und Antworten.
Wird es auch in Zukunft noch Bargeld geben?
Wenn es nach den Deutschen geht - auf jeden Fall. Einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Banken aus dem Jahr 2020 ist zu entnehmen, dass die Mehrheit noch sehr am Bargeld hängt: Drei Viertel der Befragten wollen demnach auch in Zukunft nicht auf Scheine und Münzen verzichten. Fragt man hingegen nur Menschen unter 30, fällt das Ergebnis anders aus. Fast die Hälfte dieser Altersgruppe kann sich gut vorstellen, in Zukunft nur noch digital zu bezahlen.
Angesichts solcher Stimmungsbilder sehen Experten wie David Ballaschk, "Senior Payment Expert" bei der Deutschen Bundesbank, vorerst keine Chance auf eine radikale digitale Revolution im Zahlungsverkehr: "Bargeld wird definitiv erhalten bleiben", sagte Ballaschk dem WDR am Montag - zumindest auf absehbare Zeit.
Welche Vorteile hätte ein rein digitaler Zahlungsverkehr?
Er wäre - aus volkswirtschaftlicher Sicht - effizienter und wahrscheinlich sogar billiger: Denn im Vergleich zum digitalen Geld sind Münzen und Scheine eher unpraktisch. Bargeld muss aufwändig produziert, dann unter strengen Sicherheitsbedingungen zu den Banken transportiert werden. Geldscheine haben zudem eine relativ kurze Lebenszeit: Kleinere Scheine sind meist schon ein Jahr nach ihrer Ausgabe abgenutzt und müssen aus dem Verkehr gezogen und vernichtet werden. Münzen halten zwar länger, dafür sind sie in der Herstellung teuer: Eine 1-Cent-Münze kostet in der Herstellung sogar mehr, als sie wert ist: 1,65 Cent.
Bargeld hat noch einen wichtigen Nachteil: Es kann völlig anonym genutzt werden. Deshalb ist bei illegalen Geschäften wie dem Drogenhandel Bares Pflicht. Auch lässt sich die Herkunft großer Summen relativ leicht verschleiern, was dem Organisierten Verbrechen in die Hände spielt. Schließlich wären Steuerhinterziehung und Sozialbetrug in einem rein digitalen Geldsystem zwar nicht ganz unmöglich - aber immerhin etwas schwieriger als heute.
Wie stehen die Pläne für den digitalen Euro?
Die Europäische Zentralbank (EZB) prüft seit einiger Zeit, ob sie einen digitalen Euro anbieten sollte. Im Oktober 2023 wollen die Banker das Ergebnis der Prüfung bekannt geben. Eine Einführung wäre frühestens im Jahr 2026 möglich. Falls der digitale Euro kommt, dann wäre er "Zentralbankgeld" - ebenso wie die Euro-Münzen und -Scheine, die aktuell im Umlauf sind. Die Zentralbank würde also den Wert des Geldes garantieren - im übertragenen Sinne stellt der Besitz eines digitalen Euros eine "ausfallsichere Forderung" gegenüber der EZB dar.
"Zentralbanken können nicht bankrott gehen", erklärt Bundesbank-Experte Ballaschk. Damit wäre der digitale Euro im Vergleich zu gängigen Kryptowährungen wie Bitcoin voraussichtlich weniger von starken Kursschwankungen betroffen - also eher Zahlungsmittel als Spekulationsobjekt.
Würde das digitale Geld den Datenschutz aushebeln?
Die EZB beteuert, dass sie die Anonymität der Nutzer des digitalen Euro schützen will - sogar besser als die aktuell gängigen Bezahldienste im Internet. Tatsächlich sind scheinbar kostenlose grenzüberschreitende Finanzdienstleister nicht wirklich kostenlos. Die Unternehmen handeln oft mit den Daten seiner Kunden, an denen die Privatwirtschaft brennend interessiert ist.
Allerdings würde der Datenschutz auch beim digitalen Euro wohl nicht unbegrenzt gelten - die EZB nennt auf ihrer Website eine wichtige Einschränkung: "Mit einem digitalen Euro könnten die Menschen Zahlungen tätigen, ohne ihre Daten an Dritte weiterzugeben, es sei denn, diese Daten werden benötigt, um illegale Aktivitäten zu verhindern."
Wer bleibt beim digitalen Zahlungsverkehr außen vor?
Viele Menschen sind auf Bargeld angewiesen: Da wäre zum Beispiel ein Teil der älteren Generation, die von den technischen Anforderungen eines völlig neuen Geldsystems überfordert wäre. Aber auch Menschen, die kein Girokonto besitzen, hätten wohl Probleme, wenn der Bargeldverkehr an Bedeutung verliert. Auch Obdachlose und Straßenmusiker müssten sich umstellen, wenn Passanten plötzlich weniger oder überhaupt kein Münzgeld mehr bei sich haben - obwohl sich mit der Zeit sicherlich eine alternative Möglichkeit für die Übermittlung digitaler Kleinstbeträge finden sollte.