Warten auf die Gaspreisbremse: Viele offene Fragen

Stand: 08.10.2022, 10:36 Uhr

Millionen von Menschen und Unternehmen warten auf die Gaspreisbremse. Kanzler Olaf Scholz rechnet für Montag mit Ergebnissen einer Expertenkommission. Viele Details sind aber noch unklar.

Von Frank Menke

Die geplante Gaspreisbremse für Haushalte und Unternehmen wird nach Angaben aus der Regierungs-Kommission womöglich in zwei Stufen kommen. Zunächst werde es eine schnelle Lösung geben, die noch im November oder Dezember greifen soll, sagten Kommissions-Teilnehmer am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.

Im Laufe des nächsten Jahres soll demnach dann ein umfassenderes und gerechteres Modell folgen. 200 Milliarden Euro werden zur Verfügung gestellt. Die Kommission will am Wochenende einen "belastbaren Vorschlag" erarbeiten und dann der Politik vorlegen. Das könnte schon am Montag passieren.

BDI-Präsident Russwurm fordert weitere Sparanreize beim Gasverbrauch

Der Co-Vorsitzende der Kommission, BDI-Präsident Siegfried Russwurm, forderte unterdessen weitere Sparanreize zum Gassparen. Dass die Speicher über 90 Prozent gefüllt seien, sei besser als erwartet. Das allein reiche aber nicht, sagte er der "Welt am Sonntag". Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke, warnt die Bundesregierung und die Expertenkommission in der "Rheinischen Post" davor, die geplante Subventionierung der Gas- und Strompreise zu niedrig anzusetzen.

Der Co-Vorsitzender der Kommission, Michael Vassiliadis, sagte dem WDR, es gebe in jedem möglichen Modell momentan Schwierigkeiten, wenn man Unternehmen und Haushalten gleichermaßen schnell helfen wolle.

Die Geschwindigkeit müsse jetzt mit Blick auf einkommensschwache Haushalte und Unternehmen in den Vordergrund gestellt werden, sonst seien die eventuell pleite, bevor man fertig sei und das gehe nicht, meint Vassiliadis.

Wir wünschen uns mehr Präzision bei der Frage, wen kann man entlasten? Sind da auch die Einkommensstarken und die -Schwachen unterschieden? Michael Vassiliadis, Co-Vorsitzender der Gas-Expertenkommission

Welche Modelle sind in der Diskussion?

Einmalzahlung: Die Vorsitzende der Gaspreiskommission, die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, plädiert für eine einmalige Zahlung, weil damit der Anreiz zum Gassparen erhalten bliebe. "Einen viel geringeren Sparanreiz hätte man, würde man den Gaspreis um einen bestimmten Prozentsatz senken", sagte sie der Funke-Mediengruppe.

Dieses Modell favorisiert auch der Ökonom Prof. Andreas Löschel von der Uni Bochum: "Ich glaube, das wäre ein sehr guter Weg. Die Nachfrage darf nicht subventioniert werden", sagte er dem WDR. Grundsätzlich habe die Politk das Thema zu lange vor sich hergeschoben: "Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Das ist schwierig."

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"Da werden jetzt auch Leute Geld bekommen, die es eigentlich gar nicht nötig haben." Udo Sieverding, Energiemarktexperte der Verbraucherzentrale NRW
Udo Sieverding

Udo Sieverding

Das sieht auch Udo Sieverding so, Energiemarktexperte der Verbraucherzentrale NRW: "Wir haben leider im Sommer wieder die Zeit verpasst, wie wir uns mit einem vernünftigen Kostenentlastungsmodell auf den Winter, auf diese Preis-Rallye, einstellen. Da werden jetzt auch Leute Geld bekommen, die es eigentlich gar nicht nötig haben", sagte er dem WDR.

Rabatt: Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) macht sich für einen festen Rabatt je Kilowattstunde stark. Dabei dürfe das hohe Preisniveau aber nicht komplett ausgeglichen werden, damit Anreize zum Energiesparen blieben, sagte eine Sprecherin. Der Energieexperte Felix Matthes vom Berliner Öko-Institut hat dem "Spiegel" zufolge auch einen solch staatlich subventionierten Nachlass vorgeschlagen - als Übergangslösung, bis im Sommer ein komplexeres Modell steht.

Preisdeckel: Beim Deckelmodell würde für einen Grundverbrauch eines Haushalts eine Preisobergrenze pro Kilowattstunde gelten. Für alles darüber würden marktübliche Preise gelten. Es gäbe also Anreize, den Verbrauch nicht über den Grundverbrauch steigen zu lassen. Der Ökonom Andreas Fischer vom Institut der deutschen Wirtschaft hält das für einen gangbaren Weg. Der gedeckelte Preis müsste aber höher sein als der in den vergangenen Jahren übliche Preis.

Kritik aus der EU

Egal, welches Modell sich durchsetzt, es gibt viel Kritik - auch beim informellen EU-Gipfel in Prag. Dort war, zumindest hinter den Kulissen, der Unmut groß über das Volumen des deutschen Entlastungspakets von 200 Milliarden Euro. Unterstellt wurde, die Bundesregierung wolle Wettbewerbsvorteile für die deutsche Wirtschaft auf den Weg bringen.

Markus Preiß

Markus Preiß

Markus Preiß, ARD-Korrespondent in Brüssel, sagte dazu: "Die Bundesregierung hat mit ihrem Vorschlag schon eine massive Welle der Kritik ausgelöst." Deutschland sei nicht mehr an der Einigkeit interessiert, von einer Bedrohung für den ganzen Binnenmarkt sei die Rede gewesen, sogar das Wort "Kannibalismus" sei gefallen.

"Man muss leider gestehen, an diesem Vorwurf der Beeinflussung des Wettbewerbs ist etwas dran." Christian Rusche, Institut der deutschen Wirtschaft
Christian Rusche

Christian Rusche

Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft schätzte das so ein: "Man muss leider gestehen, an diesem Vorwurf der Beeinflussung des Wettbewerbs ist etwas dran", sagte er dem WDR. Allerdings geht er davon aus, dass der überwiegende Teil der 200 Milliarden Euro bei den privaten Haushalten landen wird. Dann wäre ein Vorteil für die deutsche Wirtschaft entsprechend gering.

Schnelle Hilfe ein Stück weit sozial ungerecht

Laut WDR-Wirtschaftsredakteur Jörg Marksteiner gibt es auch viele praktische Hürden: "Angefangen von der Tatsache, dass der Staat gar nicht die Kontonummern aller Gaskunden hat, um schnell Geld zu überweisen. Und die Energieversorger wissen nicht, wie viele Personen wohnen im Haushalt, was verdienen die, ist die Wohnungsgröße angemessen, ist die Wohnung gedämmt und so weiter. Will man es gerecht und zielgenau machen, müsste man vorher ganz viele Daten erfassen, das dauert aber. Schnelle Hilfe wird zwangsläufig ein Stück weit sozial ungerecht sein."

"Der Staat wird nicht alles ausgleichen." WDR-Wirtschaftsredakteur Jörg Marksteiner

Klar ist für Marksteiner schon eines: "Der Staat wird nicht alles ausgleichen. Unterm Strich würde es für die meisten Gaskunden immer noch teurer als im vergangenen Jahr, nur halt nicht so brutal teuer wie befürchtet."