Verwirrt nach der Narkose: Was eine Klinik in Bad Oeynhausen dagegen tut
03:15 Min.. Verfügbar bis 30.08.2026.
Verwirrt nach der Narkose: Was eine Klinik in Bad Oeynhausen dagegen tut
Stand: 29.08.2024, 14:59 Uhr
Das Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ) in Bad Oeynhausen kämpft erfolgreich gegen Verwirrungszustände nach Operationen. Vor fünf Jahren hatte noch jeder dritte Patient kognitive Ausfälle, jetzt sind es nur noch sieben Prozent der Operierten.
Von Theo Knepper
Ein typischer Fall: Der 67-jährige Patient hat gerade eine neue Herzklappe bekommen. Die Chirurgen hatten dazu den Brustkorb geöffnet und am offenen Herzen operiert. Der schwere Eingriff ist Routine am HDZ und der Patient hat gute Chancen, dass das Herz nun wieder funktioniert. Aber die Gefahr ist groß, dass der Mann verwirrt aus der Narkose erwacht.
Viele Patienten sind nach großen Operationen verwirrt
Bei großen Operationen gelangen Entzündungsstoffe in den Blutkreislauf. Sie können sich im Gehirn ablagern und kognitive Ausfälle hervorrufen. Solche Patienten sind oft orientierungslos oder scheitern an einfachen Denkaufgaben, andere halluzinieren sogar.
Anästhesist Janis Fliegenschmidt.
Der Anästhesist Janis Fliegenschmidt berichtet von einem Betroffenen, der in einem Bild mit Mohnblumen die Köpfe der Familie Trump gesehen hatte, wie sie sich zu ihm beugten und auf ihn einredeten. Ein Trip, wie im Drogenrausch. Die Verwirrungszustände können einige Tage andauern, sie können aber auch zu lebenslanger Beeinträchtigung führen bis hin zur Pflegebedürftigkeit.
Besonders gefährdet sind Menschen über 60 Jahre. Nachgewiesen ist, dass Patienten mit einem Delir – so nennen das die Mediziner – statistisch früher sterben als andere.
Pflegekräfte bestimmen das Delir-Risiko
Mit einer Reihe von Maßnahmen können Ärzte und Pflegende am HDZ bei den weitaus meisten Patienten ein Delir verhindern. Nach der Aufnahme in die Klinik testet eine Pflegekraft, wie fit die Patienten sind. Sind sie orientiert? Wie viel Kraft haben sie und wie beweglich sind die Patienten noch?
"So können wir einschätzen, wie die Delir-Risiken der Patienten sind", sagt Claudia Bunge aus dem Delir-Management-Team.
Pflegerin Claudia Bunge testet die Patienten.
Besonders wichtig ist die Zeit unmittelbar nach der OP. Im Aufwachraum stoppen die Anästhesisten sehr schnell die Schafnarkose. Sie geben jetzt lokale Schmerzmittel, aber nichts mehr, was das Bewusstsein der Patienten beeinträchtigt. Auch bei dem Patienten mit der neuen Herzklappe.
Claudia Bunge aus dem Delir-Management-Team aktiviert den Mann. Sie reicht ihm eine Hand und nennt ihm einzelne Wörter. Bei jedem Wort mit A muss der Patient ihre Hand drücken. Wenn das nicht klappt, kann das ein Hinweis auf ein Delir sein.
Frisch Operierte werden tagelang begleitet
Wenn sich der Verdacht auf eine Verwirrung bestätigt, müssen die Patienten auf der Station besonders intensiv betreut werden. Ein geordneter Tag-Nacht-Rhythmus oder die Uhr an der Wand sind wichtig. Spezielle Übungen helfen den Patienten, ihre Orientierungslosigkeit zu überwinden und ihre kognitiven Fähigkeiten zurückzuerlangen. Je schneller das klappt, desto besser.
Vorbild für andere Krankenhäuser
Aber in den meisten Fällen ist das gar nicht nötig. Die OP-Vorbereitung und Nachsorge klappt so gut, dass nur noch sieben Prozent der Patienten überhaupt Verwirrungszustände zeigen. "Ein riesiger Erfolg", sagt die Direktorin der Klinik für Anästhesie und Schmerzmedizin, Vera von Dossow.
In ganz Deutschland gebe es nur zwei, drei Herz-Kliniken mit einer ähnlich niedrigen Delir-Rate bei Patienten. Das HDZ will nun andere Krankenhäuser ermuntern, ebenfalls ein Delir-Management einzurichten. Denn eine Verwirrung nach Operationen gibt es nicht nur bei Herz-OPs, sondern überall, wo Menschen schwere Operationen durchstehen müssen.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Herz- und Diabeteszentrum NRW